Sport: Schnell verschwunden
Das seltsame Verhalten griechischer Athleten bei Dopingkontrollen
Athen. Sie starten selten, jubeln aber oft. Und dann verschwinden sie ganz schnell wieder: Griechische Leichtathleten und ihre außergewöhnlich guten Leistungen in jüngster Vergangenheit geben oft Anlass zu Spekulationen. Vor allem ihr Erfolgstrainer Christos Tzekos gerät immer dann kräftig in die Schlagzeilen, wenn es um das Thema Doping geht. Der schon fast wundersam anmutende Aufstieg seiner Sprinter Kostas Kenteris, Goldmedaillengewinner über 200 Meter in Sydney 2000, und Ekaterini Thanou, olympische Silbermedaillengewinnerin über 100 Meter in Sydney, wird international von Dopingvorwürfen begleitet.
In diesem Monat wird der smarte Hellene Christos Tzekos abermals mit neuen Vorwürfen konfrontiert. Nach Berichten der englischen Tageszeitung „Observer“ soll Victor Conte in einer E-Mail nicht namentlich genannte Trainer von griechischen Leichtathleten gemahnt haben, mit Informationen achtsam umzugehen. Conte ist Präsident und Gründer von Balco – der Firma also, in der das eigens zu Betrugszwecken entwickelte Steroid Tetrahydogestrinon (THG) hergestellt und von der es anschließend vertrieben wurde. Conte muss sich derzeit vor den US-Justizbehörden verantworten.
Wie immer in solchen Fällen wittert Tzekos eine Verleumdung hinter diesen vom „Observer“ suggerierten Verbindungen des Dopingmittels THG und der griechischen Leichtathletik. Den angeblichen „Aufruhr“, der Griechenland jedoch nach der Publizierung des Artikels erfasst haben sollte, gab es nicht. Wie immer, wenn sich die griechische Leichtathletik „einer antigriechischen Hetzkampagne“ ausgesetzt sieht, wie es der Präsident des nationalen Leichtathletikverbandes, Vassilis Sevastis, erklärte, fällt die Antwort der Griechen nach demselben Schema aus. Zur Beruhigung der Weltöffentlichkeit kündigt Sportminister Georgios Lianis zunächst vollmundig Untersuchungen der Gerichte an. Die jedoch verläuft schnell im Nichts, und bald redet keiner mehr über Doping im Lande. So steht die feste Koalition von griechischen Leichtathletik-Verbandsfunktionären und den Mannen im Sportministerium geschlossen hinter ihren Nationalhelden. So schickte denn auch das griechische Sportministerium gleich eine offizielle Erklärung in Richtung England, die den „Observer“-Artikel als nur einen weiteren Teil des „systematischen Krieges gegen griechische Athleten und Medaillengewinner“ sieht. Tzekos reichte noch ein Verleumdungsklage über 88 Millionen Euro hinterher.
Doch auch all das Klagen werden die Dopingvorwürfe keinesfalls verstummen lassen. Das Verhalten der griechischen Leichtathleten selbst gibt auch nur wenig Anlass dazu. Denn die griechischen Topstars machen sich rar und sind außerhalb Griechenlands kaum zu sehen. Während andere gute Athleten bis zu zwanzig internationale Wettkämpfe pro Jahr bestreiten, belassen es die Griechen bei einer Hand voll und verzichten damit freiwillig, eher untypisch für ihren Berufsstand, auf hohe Antritts- und Siegprämien „Wir wollen unsere Stars nicht einem unnötigen Verletzungsrisiko aussetzen“, erklärte der Präsident des griechischen Leichtathletikverbandes, Vassilis Sevastis. Und Kostas Kenteris, auf dessen Namen sogar eine griechische „High-Speed-Fähre“ getauft wurde, meinte auf Anfrage, warum sich die Griechen denn so selten bei großen Leichtathletik-Meetings sehen lassen, lapidar: „Wir brauchen das Grand-Prix-Geld nicht“. Für ihn gilt es sicher. Andere griechische Athleten müssen mit dem Vorwurf leben, dass sie nur deshalb bei einem provinziellen Wettkampf im südgriechischen Kalamata auftauchen, weil sie nichts so sehr fürchten wie die strengen, internationalen Dopingkontrollen.
Seit nunmehr sechs Jahren liegt der griechische Leichtathletikverband im Zwist mit dem Internationalen Leichtathletikverband IAAF, Dauerthema Doping. Mal treffen in dem Athener IAAF-akkreditierten Labor vorgenommene Proben nicht beim Weltverband ein, mal werden die Kontrolleure der internationalen Dopingagentur Wada in Athen mit falschen Hotelangaben und Trainingszeiten in die Irre geführt. Noch vor gut einem Jahr beschwerte sich der IAAF-Generalsekretär Istvan Gyulai bitterlich über die in Griechenland außergewöhnlich hohe Zahl von so genannten „no shows“: „Griechische Athleten sind für die Dopingfahnder oft nicht da zu finden, wo sie eigentlich zu finden sein sollten.“
Torsten Haslbauer