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Sport: Schneller, höher, teurer

Das Golfemirat Katar soll ein Sportland werden, doch die Scheichs müssen erst noch beweisen, dass ihre Begeisterung mehr als ein kostspieliges Hobby ist

Katar ist immer gut für Überraschungen. Man sieht sie manchmal erst auf den zweiten Blick. So wie bei dem Besucher, der im Tennisstadion von Doha auf Scheich Mohammed bin Faleh Al-Thani wartet, den Präsidenten des katarischen Tennisverbandes. Er trägt ein Kopftuch und ein Gewand vom Hals bis zu den Knöcheln und hat Al-Thani, einem Mitglied der Emirsfamilie, ein Album mit Fotos von einem Bodybuilder mitgebracht. Der Körper als Gesamtkunstwerk, durchtrainiert bis in die letzte Faser, zerklüftet wie ein Bergrelief. Al-Thani lächelt, als er die Fotos sieht. Er scheint sehr zufrieden zu sein. Und dann wird einem klar: Der Mann mit den Fotos ist der Mann auf den Fotos.

Hinter der Tradition steckt ein durchtrainiertes Sportland – so möchte Katar am liebsten wahrgenommen werden. „Es ist wichtiger, eine bedeutende Rolle in der olympischen Familie zu spielen, als bei den Vereinten Nationen“, sag Erbprinz Tamim Bin Hamad Al-Thani. Geradezu exzessiv fördert das Emirat den Sport. Zwischen Oktober und Mai gibt es fast jede Woche eine bedeutende Sportveranstaltung im Land: Tennis, Golf, Tischtennis, Fechten, Reiten. An Geld mangelt es nicht, vor allem dann nicht, wenn es darum geht, Katar als Sportland bekannt zu machen. Zum Tennisturnier in der ersten Woche des Jahres hat der Tennisverband die Journalisten aus dem Westen einfach eingeladen, Unterkunft und Verpflegung im Spielerhotel inklusive.

Katar ist das wahre Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Öl und Gas haben das Emirat reich gemacht. Keine Volkswirtschaft weltweit wächst derzeit so schnell wie die katarische, und in der Hauptstadt Doha wird der Aufschwung quasi live aufgeführt. Wo vor zwei Jahren nur ein einziges Gebäude im Sand stand, sind in der Zwischenzeit ganze Stadtteile aus dem Boden gestampft worden. Neben dem Khalifa-Stadion entsteht gerade ein weiteres Fünf-Sterne-Hotel. Es ist der Fackel nachempfunden, mit der Mitte Dezember das Feuer der Asienspiele entzündet wurde. Dreieinhalb Meter ist der Bau jeden Tag in die Höhe gewachsen. Mehr ging nur deshalb nicht, weil der Beton nicht schneller trocknete. Schneller, höher, teurer.

Das Land verfügt inzwischen über eine der modernsten Sportinfrastrukturen der Welt. „1985 gab es nicht mehr als zwei oder drei Tennisplätze in Katar. Inzwischen können wir sie gar nicht mehr zählen“, sagt Scheich Mohammed bin Faleh Al-Thani. Auf seinem Gelände will der Tennisverband bald ein neues Stadion bauen – für 10 000 bis 13 000 Zuschauer. Der alte Centre Court hat 4500 Plätze, aber selbst der war bei den Katar Open der Männer nicht ein einziges Mal voll, und auf den Tribünen saßen vor allem Ausländer, die in Doha leben.

Ralf Iwan ist einer von etwa 250 Deutschen in Katar. Er arbeitet als Leichtathletiktrainer an der Aspire Academy in Doha und bildet dort den sportlichen Nachwuchs des Landes aus. Woran merkt man, dass Katar keine Sportkultur hat? „Daran, dass kaum jemand zu den Sportveranstaltungen kommt“, sagt Iwan. Selbst beim Fußball sind es selten mehr als tausend Zuschauer. „Dadurch wirkt alles ein bisschen künstlich“, sagt Wolfgang Sidka aus Deutschland, der den Erstligisten Al-Gharafa trainiert.

Die Scheichs in Katar würden der Welt gerne beweisen, dass ihre Sportbegeisterung nicht nur ein teurer Spleen ist. Einfach wird das nicht. Sie machen es ihren Kritikern mit ihrem Gehabe allerdings auch ziemlich leicht. Als die Scheichs vor einigen Jahren den Fußball mit aller Macht nach vorne bringen wollten, holten sie sich für viel Geld gealterte Fußballer wie Mario Basler oder Stefan Effenberg ins Land. Die katarischen Gewichtheber bei den Olympischen Spielen in Athen waren eigentlich Bulgaren, und Saif Saeed Shaheen, der für Katar Weltmeister über 3000 Meter Hürden geworden ist, hieß einmal Stephen Cherono, als er noch für sein Geburtsland Kenia startete.

Die Asienspiele in Doha waren das bisher größte Sportprojekt – aber eigentlich nur ein Testlauf für ein noch größeres Projekt. Katar will sich für die Olympischen Spiele 2016 ff. bewerben. „Wir werden es so lange versuchen, bis wir gewinnen“, hat Saoud bin Abdul Rahman Al-Thani, der Generalsekretär des Nationalen Olympischen Komitees, bereits angekündigt. Viele halten das für größenwahnsinnig. In Katar leben gerade 850 000 Menschen, das Land ist nur halb so groß wie Hessen. Doch in den Gremien des internationalen Sports ist das Emirat gut vernetzt, und finanziell ist das Projekt auch kein Problem. „Wir sind dabei, neue Autobahnen zu bauen und unsere Verkehrsprobleme zu lösen“, sagt Saoud bin Abdul Rahman Al-Thani. „Wenn Athen das geschafft hat, ist es überall in der Welt möglich.“

Ralf Iwan kennt den Vorwurf, dass die Kataris sich im internationalen Sport aufführten wie Neureiche. „Das höre ich oft, wenn ich in Deutschland bin“, sagt er. „Aber da klingt auch sehr viel Neid mit.“ Natürlich waren die Asienspiele in Doha die größten Asienspiele der Geschichte, 2,8 Milliarden US-Dollar hat das Land investiert. 10 500 Sportler aus 46 Ländern haben daran teilgenommen. In der Relation zur Einwohnerzahl müsste Deutschland eine Million Athleten unterbringen. Dem Land wurde das Chaos vorhergesagt: Der Verkehr und die gesamte Logistik würden zusammenbrechen, in den Supermärkten, so hieß es, werde es nichts mehr zu kaufen geben. Nichts davon ist eingetreten.

Neben dem Khalifan-Stadion wurde für die Asienspiele der Sportsdome errichtet, die größte Sporthalle der Welt. Die Anlage umfasst mehrere Mehrzweckhallen, eine 200-Meter-Leichtathletikbahn, einen Fußballplatz mit 5000 Plätzen und ein Schwimmbad, das olympischen Anforderungen genügt. Sie ist ein Symbol für die Möglichkeiten des Landes, aber auch eins für das Umdenken. Die Anlage gehört jetzt zur Aspire Academy, der – natürlich – größten Sportschule der Welt. Zurzeit werden hier 160 Schüler zwischen zwölf und 16 Jahren ausgebildet, in zehn Jahren sollen es 1200 sein.

„Wir versuchen, aus Talenten Champions zu machen“, sagt Thomas Flock, der Leiter der Akademie. Das andere ist: Aus der Akademie heraus soll eine Kultur des Sports übers Land gebracht werden. Wer es nicht zum Spitzensportler schafft, soll wenigstens Sportlehrer werden können. „Es ist ein Langzeitprojekt“, sagt Flock, der früher den Olympiastützpunkt München geleitet hat. „Wir werden die Ergebnisse in sieben oder acht Jahren sehen, nicht in zwei oder drei.“ Kritiker der katarischen Sportbegeisterung hören aus solchen Sätzen immer noch die Furcht vor der Ungeduld der Scheichs heraus.

Dabei gibt es sie ja längst, die Erfolge der katarischen Sportler. Die Handballer haben sich zum dritten Mal hintereinander für die Weltmeisterschaft qualifiziert, bei den Asienspielen belegte das Land Platz zehn im Medaillenspiegel, die Fußballer holten Gold. Unter den 40 Leichtathleten, die Ralf Iwan an der Aspire Academy trainiert, sind drei, denen er eine internationale Karriere zutraut. Aber es geht nicht nur um Medaillen, um moderne Stadien, riesige Sporthallen und neue Autobahnen. Wenn Katar es wirklich erst meint mit dem Sport, wird das Land ein anderes werden müssen.

Das City-Center in Doha ist das größte Einkaufszentrum des Nahen Ostens, im Untergeschoss gibt es eine Eisbahn, in den Geschossen darüber alle Fast-Food- Ketten dieser Welt. Der Einfluss des Westens ist nicht immer nur ein Segen. „Diabetes und Übergewicht grassieren hier wie Schnupfen“, sagt Ralf Iwan. Die Aspire Academy bietet Fitnessprogramme für die Mütter ihrer Schüler an. Von den acht Frauen, die das Angebot angenommen haben, kamen sechs aus dem Westen. Aber Iwan registriert auch zarte Veränderungen. Wenn er morgens um sechs zur Arbeit joggt, begegnet er immer häufiger katarischen Frauen beim Walken.

Ralf Iwan hat Anfang der Neunzigerjahre bei Bayer Dormagen den Stabhochspringer Lars Börgeling trainiert. Er weiß, was notwendig ist, um von unten nach oben zu kommen, aber seine Erfahrungen taugen nur bedingt für Katar. „Du musst eine andere Art entwickeln, wie du mit den Leuten arbeitest, um deine Ziele zu erreichen“, sagt er. „Du gehst zwei Schritte vor, dann wieder zwei nach hinten – und hoffst, dass es irgendwann nur noch einen nach hinten geht.“ Wie soll er einem Schüler erklären, dass er eigentlich für seine Ausbildung bei Aspire bezahlen müsste, wenn er doch beim nationalen Leichtathletikverband schon dafür Geld bekommt, dass er überhaupt am Training teilnimmt? Ralf Iwan hat seinen Schülern gesagt: „Ihr kriegt Geld, wenn ihr euch für die Weltmeisterschaft qualifiziert.“

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