Sport: Schön erfolglos
Eine Ausstellung im Kölner Sportmuseum dokumentiert die enge Beziehung zwischen Sport und Sex
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Den Vorhang ziert eine überlebensgroße nackte Frau, der Zutritt in das bedrückend enge Separee erfolgt gewissermaßen durch ihre gespreizten Beine. Auch das Innenleben der beiden schwarzen Boxen erinnert an das zwielichtige Milieu der Sex-Industrie: Zwar kostet es keinen Euro extra, die Bullaugen per Knopfdruck zu öffnen und so die erotischen Bilder zu betrachten. Aber wie in einer Peepshow kann sich der Besucher hier, in diesem schmuddeligen Ambiente und unbemerkt von der Öffentlichkeit, seinem Voyeurismus hingeben. Die Macher der Schau „Sport macht sexy“, die zurzeit im Deutschen Sport- und Olympiamuseum in Köln zu sehen ist, inszenieren das Thema mit gezielten Provokationen. „Die Ausstellung beschränkt sich jedoch nicht auf den Spruch ‚sex sells’“, betont das Kuratoren-Team um Museumsdirektor Christian Wacker.
Nun ist die enge Beziehung zwischen Sport und Sex, zwischen Athletik und Körper, beileibe keine Erfindung der Moderne. Freilich verändern sich mit dem Zeitgeist die Körperideale. Die antike Athletik formulierte, wie am Beispiel des berühmten „Kritiosknaben“ angedeutet, schon früh einen Kanon dessen, was schön und sexy ist und was nicht, und in der Renaissance griffen Künstler wie Leonardo da Vinci die Vorgabe der alten Griechen auf. „Sport macht sexy“ will aber keine historische Schau sein. Pionieren wie Eugen Sandow (1867–1925), im späten 19. Jahrhundert der Erfinder des neuzeitlichen Bodybuildings, oder dem norwegischen Eiskunstlaufstar Sonia Henie (1912–1969), die mit ihren kurzen Röcken für kalkulierte Skandale im Sport der zwanziger und dreißiger Jahre sorgte, räumt die Ausstellung dennoch zwei kleinere Bereiche ein. Anzuschauen sind die dazugehörigen Objekte und Bilder ebenfalls durch winzige Gucklöcher.
Im Zentrum steht die Gegenwart des modernen Sports, die durchtränkt ist von erotischen Inszenierungen und die oft kaum unterscheidet zwischen Leistung und Ästhetik. Mit vielen Schautafeln und einem etwa zehnminütigem Film veranschaulichen die Kuratoren diese Symbiose. Etwa den Laufstegcharakter, den das professionelle Frauentennis zuweilen hat, wie die exzentrische Russin Anna Kurnikowa Ende der neunziger Jahre demonstrierte. „Du hast zwar gewonnen, aber ich bin viel hübscher und kann viel mehr Geld verdienen als du“, sagte Kurnikowa einst, nachdem sie ein Match gegen die Schweizerin Martina Hingis verloren hatte. Nie gelang es ihr, ein Einzelturnier zu gewinnen, reich wurde sie dennoch durch zahlreiche Werbeverträge. So allgegenwärtig war sie, dass ihre Initialen AK sogar Eingang in die Pokersprache fanden; das As und der König, für das „Anna Kurnikowa“ steht, bezeichnet hier die Formel „schön, aber nicht erfolgreich“.
Die Ausstellung bietet ein Panoptikum erotischer Bilder im Sport. Neben Kurnikowa sieht man Fotografien der Schwimmerin Franziska van Almsick, von der Weitspringerin Susan Tiedtke oder der Sprinterin Sina Schielke. Den scheinbar unendlichen Vermarktungsvarianten auf diesem Feld können sich auch die männlichen Leistungssportler nicht entziehen; Leichtathleten wie der Stabhochspringer Tim Lobinger, der Handballer Stefan Kretzschmar oder der Basketballer Dennis Rodman kultivieren auf verschiedene Weise ihr Image.
Zudem zeigt das Museum, wie viele Zeitungen mit erotischen Bildern prominenter Sportlerinnen Auflage machen. Wie attraktiv diese Kombination Sport und Sex ist, belegte jene weltweit ausverkaufte „Playboy“-Ausgabe aus dem Jahre 1998, die auf dem Titelbild mit dem Eiskunstlaufstar Katarina Witt warb – nach Angaben des Verlages die erfolgreichste Nummer in der Geschichte dieser Zeitschrift, nur die erste Ausgabe mit den berühmten Pin-up-Fotografien Marilyn Monroes aus dem Jahr 1953 war ein ähnlicher Knüller.
Womöglich werden einige Besucher der Ausstellung kritisieren, dass diese vielen Bilder zu wenig einordnen, zu wenig reflektieren oder gar zu wenig auf den Missbrauch der Beziehung zwischen Sport und Sex hinweisen. (Was allerdings der knappe Begleitkatalog macht.) Exemplarisch dafür stehen etwa die üblen „sexy sport clips“, die nach Mitternacht beim Deutschen Sportfernsehen laufen. Andererseits verzichten die Kuratoren darauf, hier die moralische Keule zu schwingen. Das ist wohltuend. Nachdenklich macht die Ausstellung auch so.
„Sport macht sexy“. Eine Ausstellung des Deutschen Sport- und Olympiamuseums Köln, 24. März bis 1. Juli 2007.
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