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Mit seiner Rolle unter Bundestrainer Joachim Löw ist Marc-André ter Stegen seit einiger Zeit nicht sonderlich glücklich.

© Marius Becker/dpa

Update

Streit zwischen Neuer und ter Stegen: Schuld ist Joachim Löw

Zwischen den Konkurrenten um die Nummer eins im DFB-Team ist ein Streit entbrannt. Grund ist vor allem die Kommunikation des Bundestrainers. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Julian Graeber

Das Verhältnis zwischen Torhütern ist ein besonderes im Fußball. Anders als bei Feldspielern kann immer nur einer auf dem Platz stehen und da Trainer zwischen den Pfosten eher selten wechseln, bleibt einem Torwart meist nur die Rolle des Dauer-Reservisten. Große Freundschaften ergeben sich zwischen den Konkurrenten daher eher selten, das ist auch bei Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen in der deutschen Nationalmannschaft der Fall. In den vergangenen Tagen lieferten sich die beiden einen viel beachteten verbalen Schlagabtausch über die Medien: Ter Stegen äußerte seine Enttäuschung darüber, dass er bei den vergangenen zwei Länderspielen mal wieder nur Ersatz war, Neuer kritisierte das mehr oder weniger direkt als mannschaftsschädlich und nun bezeichnete ter Stegen Neuers Antwort als "unpassend". Besonders förderlich ist diese Situation für die Teamchemie in der Nationalmannschaft sicher nicht – und zu verantworten hat sie vor allem Joachim Löw.

In der Torhüterfrage fehlt dem Bundestrainer seit der WM eine klare Linie. Mal gibt Löw dem Torhüter des FC Bayern eine Stammplatzgarantie bis 2020, dann ruft er ein offenes Duell um die Nummer eins aus. Bei den Länderspielen gegen die Niederlande und Nordirland spielte ter Stegen keine Minute, obwohl ihm Löw Einsatzzeiten in Aussicht gestellt hatte. Dass sich der Stammtorwart des FC Barcelona, dessen Weltklasse niemand anzweifelt, angesichts dieser Widersprüche kritisch äußert, ist verständlich. Er hat seit 2017 kein Pflichtspiel mehr für den DFB bestritten.

Auch Löws jüngste Aussagen dürften ter Stegens Unzufriedenheit eher noch verstärkt haben. Der Bundestrainer habe zwischen den zwei EM-Qualifikationsspielen so viel verändert, dass "ich nicht auch noch den Torhüter wechseln wollte". Bedingungsloses Vertrauen klingt anders. Da hilft es kaum, wenn sich Löw nun über die „Bild“-Zeitung in die Diskussion einschaltet und im Prinzip nur wiederholt, was er schon mehrfach gesagt hat: Beide seien „Weltklassetorhüter“, die Nationalmannschaft brauche diesen Konkurrenzkampf und er stehe zu seinem Versprechen, dass auch ter Stegen seine Einsätze bekommen werde. 

In der Debatte um den Konkurrenzkampf zwischen Neuer und ter Stegen wird momentan viel an das Duell Oliver Kahn gegen Jens Lehmann vor und während der WM 2006 erinnert – auch von Neuer selbst. Beide waren zu dieser Zeit absolute Spitzentorhüter und mindestens ebenso ehrgeizig wie die heutigen DFB-Keeper. Einen gewaltigen Unterschied gab es damals jedoch. Bundestrainer Jürgen Klinsmann moderierte die Situation klar und deutlich. Erst gab es einen offenen Konkurrenzkampf, in dem beide Torhüter in etwa gleich oft zum Einsatz kamen, dann entschied sich Klinsmann für Lehmann. Für Kahn war das schwer zu akzeptieren, immerhin wusste er aber, wo er stand, und verdiente sich durch seine aufmunternde Geste vor dem Elfmeterschießen gegen Argentinien im WM-Viertelfinale Respekt von allen Seiten. Diese Klarheit fehlt aktuell – und so eröffnet sich Joachim Löw auf der einzigen Position, die doppelt mit Weltklasseprofis besetzt ist, eine gefährliche Baustelle.

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