zum Hauptinhalt
Johannes Golla gibt alles für das Nationalteam, auch wenn er dafür zuweilen über die Schmerzgrenze gehen muss.

© Imago/IPA Sport/

Sechs WM-Spiele in elf Tagen: Wie die Handballer mit der Belastung umgehen

Vor dem WM-Viertelfinale haben die deutschen Handballer endlich ein bisschen Luft. Das ist angesichts des eng getakteten Spielplans auch dringend nötig.

Stand:

Essen, schlafen, Handball – diese drei Worte beschreiben den Rhythmus der Handballer bei der aktuellen Weltmeisterschaft in Kroatien, Dänemark und Norwegen ziemlich treffend.

Alle zwei Tage gibt es ein Spiel, die Nächte sind aufgrund der späten Ansetzungen kurz, die körperliche Belastung immens. „Da kann man nicht genug machen“, sagt der Kapitän der deutschen Handballer, Johannes Golla. „Jeder schleppt seine Baustellen durch und muss daran Tag für Tag arbeiten, um fit zu werden“.

Der 27 Jahre alte Kreisläufer reiste schon mit Schulterproblemen zum Turnier an, zudem zwickt die Hüfte beizeiten. Da war es fast schon eine Wohltat, dass er bei seinem 100. Länderspiel am Samstag zum Hauptrundenabschluss gegen Tunesien (31:19) keine Sekunde auf dem Parkett verbringen musste.

Denn in den vorherigen fünf Begegnungen kam der Kreisläufer auf 242,40 Einsatzminuten und damit die höchste Spielzeit aller deutschen Feldakteure. An eine Pause war derweil bei den teils holprigen Auftritten für den Leistungsträger nicht zu denken.

Umso wichtiger ist das Thema Regeneration. „Direkt nach einer Begegnung geht es erst mal darum, etwas in den Magen zu bekommen und den Flüssigkeitshaushalt auszugleichen“, sagt Golla. Dann folgen je nach Spieler Dehnübungen zur Muskellockerung, etwas Zeit auf dem Fahrrad, um den Stoffwechsel anzuregen und bei manchen ein kurzes Eisbad, um Entzündungen entgegenzuwirken, während andere direkt beim Physiotherapeuten oder dem Ärzteteam anklopfen.

Am nächsten Morgen steht dann individuell aufgebaute Regeneration auf dem Programm. Dafür wird das subjektive Empfinden mit einer App festgehalten, während objektive Daten über sensorisches Monitoring gesammelt werden und darauf aufbauend das Training gestaltet.

Mindestens genauso wichtig ist die Ernährung. Am Spieltag muss der Körper mit ausreichend Kohlenhydraten, Aminosäuren und Vitaminen versorgt werden, was übersetzt heißt, dass weniger schwerverdauliche Rohkost, sondern mehr Pasta, Kartoffeln und Ähnliches auf dem Programm stehen.

Es ist kein Geheimnis, dass wir uns an einem freien Tag dann auch mal etwas gönnen.

Johannes Golla

„Es ist kein Geheimnis, dass wir uns an einem freien Tag dann auch mal etwas gönnen. Da darf es schon ein Cappuccino oder ein Stück Kuchen sein“, sagt Golla, dem es das skandinavische Gebäck angetan hat. Irgendwie müssen die 4000 bis 5000 Kalorien, die die Handballer an einem Spieltag verbrauchen, ja wieder reingeholt werden.

Wobei Stoffe wie Glucose bekanntermaßen als Energielieferanten für Nerven und Hirn fungieren – einmal ganz abgesehen vom Wohlfühlfaktor. Denn die Psyche ist schließlich ebenfalls nicht zu unterschätzen. Das beginnt bei ausreichend Schlaf über Entspannungsmechanismen bis hin zur Arbeit mit einem Sportpsychologen, auf den einige zurückgreifen.

Eine Erkältungswelle geht im Team um

„Das Mentale ist natürlich leichter, wenn wir so wie bei Olympia durch das Turnier gehen. Jetzt ist der Blick stark auf uns gerichtet, es gibt eine gewisse Erwartungshaltung und mehr Druck“, erzählt Golla: „Da dürfen wir uns nicht verrückt machen.“

Dass die deutschen Handballer nun bis Mittwoch Zeit haben, wenn das Viertelfinale ansteht, kann auch dahingehend hilfreich sein. „Da können wir etwas an der allgemeinen Frische arbeiten“, sagt der Kapitän, der sich mit dem DHB-Tross am Sonntag von Herning über Billund mit dem Charterflieger nach Oslo aufmachte.

Und Frische braucht das Team allemal. Denn trotz aller Professionalität, bei der Regeneration hat Deutschland schon einige Ausfälle zu beklagen. So kam Juri Knorr bereits angeschlagen zum Turnier und liegt seit Tagen mit Atemwegserkrankungen flach, eine Erkältungswelle geht um und Franz Semper musste sich nach nur einem Einsatz vom Turnier verabschieden. Ähnlich erging es auch anderen Nationen.

Dass die Debatte um die Belastung dabei neue Nahrung bekommt, ist nicht verwunderlich – gerade nach einem Olympia-Jahr. Denn egal wie sehr Golla und seine Kollegen betonen, dass sie ihre Nation bei den Turnieren mit „Herzblut“ vertreten und dafür die Strapazen in Kauf nehmen: Ewig kann sich das Hamsterrad nicht weiterdrehen und es ist spätestens beim Ligaauftakt im Februar mit körperlichen Rückschlägen zu rechnen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })