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Sport: Sepp Piontek baut in Grönland eine Fußballnationalmannschaft auf

Kassierer bei einem Fußballspiel, das ist in Grönland ein Job für Extremsportler. Für Kletterer, die ruckzuck einen hundertfünfzig Meter hohen Felsen erklimmen.

Kassierer bei einem Fußballspiel, das ist in Grönland ein Job für Extremsportler. Für Kletterer, die ruckzuck einen hundertfünfzig Meter hohen Felsen erklimmen. Und dort den Zuschauern, die hoch über dem Spielfeld thronen, das Eintrittsgeld abknöpfen, ehe sie irgendwo in den Bergen verschwinden. Weil es solche Kassierer auch hier im ewigen Eis nicht gibt, verdienen Vereine und Verband so gut wie nichts. Und konnten sich, weil Sponsoren fehlten, auch keine Nationalmannschaft leisten.

Das soll sich ändern. Politisch gehört Grönland zu Dänemark, doch die größte Insel der Welt strebt nach mehr Autonomie. Das Land, das zu 80 Prozent mit Eis bedeckt ist, will endlich auch ein eigenes Fußballteam. Ein Trainer ist bereits gefunden: Sepp Piontek, Ex-Trainer der dänischen und türkischen Auswahl und bis zum Sommer Vereinscoach im dänischen Silkeborg, trimmt künftig die grönländischen Kicker. "Das ist Pionierarbeit. Eigentlich wollte ich langsam in Pension gehen, aber hier brauche ich nicht viel zu arbeiten. Zweimal im Jahr kommen die Spieler nach Dänemark, im August fliege ich zu ihnen." Der 59-Jährige, der auch Trainer der dänischen Altherren-Elf ist, bekommt kein Gehalt, sondern darf Abenteuerurlaub machen. Die Grönländer haben Piontek versprochen, ihn mit zum Hundeschlittenfahren, zur Wal- und zur Seehundjagd zu nehmen.

Mit Grönland Air ist ein Sponsor gefunden, der die Spieler kostenlos transportiert - nicht unwichtig in einem Land, das mehr als fünfmal so groß ist wie Deutschland. Bei Uefa und Fifa hat der grönländische Verband einen Aufnahmeantrag gestellt: Die Länderspiele - richtig mit eigener Fahne und Nationalhymne - sollen offiziell anerkannt werden und die kickenden Fischer und Lehrer als echte Nationalspieler gelten, die in internationalen Chroniken geführt werden wie Oliver Bierhoff, Rivaldo oder Schewtschenko.

1981 bestritt Grönland schon einmal zwei Länderspiele, inoffizielle allerdings. Auch damals hieß der Trainer Piontek, die Mannschaft verlor in Island (1:5) und gegen die Färöer-Inseln (2:3). Das Team brach zwar danach wieder auseinander, weil es nicht zu finanzieren war, aber die Fußballbegeisterung in Grönland stieg an: Seit 1984 werden Spiele aus der großen Fußballwelt nicht mehr als Konserve gesendet, also mit tagelanger Verzögerung, sondern live. Als Dänemark 1992 im EM-Finale sensationell Deutschland bezwang, fieberten die Grönländer am Nordpol vor dem Fernseher mit.

Von 56 000 Einwohnern spielen etwa dreitausend Fußball, "sie sind willensstark, hochmotiviert und physisch wegen der extremen Bedingungen sehr strapazierfähig", sagt Piontek. Schließlich liegt acht Monate im Jahr Schnee, und Wintertemperaturen von mindestens 25 Grad unter Null sind die Regel. Die Teams treten wegen der großen Entfernungen zunächst bei Regionalturnieren gegeneinander an, die besten treffen sich dann zur Meisterschafts-Endrunde. Gespielt wird auf Hartplatz, auf zermalmtem Felsgestein. Weil eine Nationalmannschaft einen Rasenplatz braucht, sind nun Gras-Experten gefragt. Normales Gras gibt es nicht, es würde auch den Winter mit einer vier Meter hohen Schneedecke nicht überstehen. Jetzt soll widerstandsfähiges Gras aus Island importiert und zunächst auf einem Golfplatz getestet werden.

Bis der ordentliche Fußballplatz fertig ist, tritt Grönland in Island, Dänemark oder auf den Färöer-Inseln an. Dort müssen sich die Spieler dann immer erst an das Gras gewöhnen, "weil der Ball ganz anders läuft. Solide Technik fehlt meinen Spielern," sagt der Trainer. Abhilfe schafft ein Fußball-College in Dänemark, in dem Piontek auch 17 grönländische Jungs ausbildet. Der eine oder andere soll im kommenden Jahr schon fit sein für die Nationalmanschaft. Dass seine Elf Kanonenfutter sein könnte für all die erfahrenen Gegner, glaubt Piontek nicht, "schließlich haben die Färöer-Inseln kürzlich 1:1 gespielt gegen Schottland und schon mal Österreich geschlagen." Die Bewährungsprobe kommt beim Insel-Cup 2001 auf der Isle of Man. Dort muß die neue Fußballnation gegen Teams wie Gotland und Kreta bestehen.

Helen Ruwald

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