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Die Nummer eins bin ich. Gregor Schlierenzauer dominiert den Ski-Weltcup wie einst Matti Nykänen.

© AFP

Skispringen: Gregor Schlierenzauer: Der Beste aller Zeiten

Erst 23 und schon so gut: Nur noch ein Weltcup-Sieg fehlt dem Österreicher Gregor Schlierenzauer zum Rekord von Matti Nykänen. Doch für viele ist schon jetzt klar, dass er der Beste aller Zeiten wird.

Es war ein trügerisches Foto, für das die beiden österreichischen Skispringer Stefan Kraft und Gregor Schlierenzauer am Sonntagabend in Bischofshofen posierten. Nach Aufforderung legten sie sich gegenseitig die Arme um die Schultern und grinsten in die Objektive. Das Bild suggeriert, als läge der 19 Jahre alte Stefan Kraft irgendwie gleichauf mit seinem nur dreieinhalb Jahre älteren Teamkollegen. Unmittelbar nach dem Foto rückte der Jüngere intuitiv mit seinem Stuhl wieder ein Stück von seinem Landsmann ab, wie um zu unterstreichen, dass beide in Wirklichkeit noch Welten trennen: Hier der Nachwuchsspringer, der erstmals in einem Weltcup auf Rang drei gelandet ist. Dort der wohl beste Skispringer überhaupt.

Schon jetzt ist klar, dass Schlierenzauer dieser Titel gebührt. Offiziell fehlt ihm zwar noch ein Weltcupsieg, um zum Finnen Matti Nykänen aufzuschließen, der mit 46 Weltcupsiegen so erfolgreich wie kein anderer Springer gewesen ist. Doch nach Schlierenzauers zweitem Sieg bei der Vierschanzentournee und seinem 45. Weltcupsieg von Bischofshofen will der deutsche Bundestrainer Werner Schuster gar nicht mehr auf den Vollzug warten: „Er wird bester Springer aller Zeiten werden, und er ist es schon jetzt.“

Mit beeindruckender Souveränität hat Schlierenzauer den Angriff des Norwegers Anders Jacobsen pariert und nach zwei zweiten Plätzen zum Auftakt der Tournee die Springen von Innsbruck und Bischofshofen gewonnen. Im letzten Durchgang ließ er sich auch von der Tagesbestweite seines Konkurrenten nicht beeindrucken. „Skispringen ist generell eine Kopfsportart“, sagt Schlierenzauer und klingt dabei, nicht wie ein Springer, der am Montag erst 23 Jahre alt geworden ist. „Ich war unter Druck immer schon ganz gut, und es gelingt mir jetzt immer besser bei mir zu bleiben und mich bis zum Schluss zu konzentrieren.“

Sein Trainer Alexander Pointner unterstreicht seine mentale Stärke: „Er ist im Bereich Neurocoaching extrem stark, da macht ihm keiner etwas vor.“ Der deutsche Bundestrainer, der ihn im Tiroler Skigymnasium Stams eineinhalb Jahre gefördert hat, lobt hingegen das Gesamtpaket. „Wenn Talent und Arbeitswillen aufeinandertreffen, dann ist das eine unschlagbare Kombination“, sagt Schuster, „bei ihm passt vom Elternhaus, Umfeld, Anlagen und Einstellung alles zusammen.“

Schlierenzauer fehlt noch olympisches Einzelgold

Mit 16 Jahren debütierte Schlierenzauer im Weltcup und gewann in seiner ersten Saison bereits fünf Weltcupspringen. „Es ist schwierig, wenn du mit 16 erwachsen sein sollst“, sagt er heute, „mein Glück war, dass mit meinem Onkel ein Topsportler in unserer Familie ist.“ Sein Onkel, der ehemalige Rennrodler Markus Prock, berät ihn seit Beginn der Karriere. „Dann wird man irgendwann älter und fängt an zu denken“, sagt er abgeklärt. „Ich kann mit viel mehr Leichtigkeit und Freude meinen Weg gehen und die Gegenwart genießen.“

Wenn ihn nicht eine Verletzung stoppt, wird diese Gegenwart ihm auch die Weltcupsiege 46 und 47 bescheren. „Es ist generell in einer Sportart das Größte, wenn man die ewige Nummer eins werden kann“, sagt Schlierenzauer, „darauf arbeite ich hin.“ Spätestens seitdem er den Finnen Janne Ahonen mit 36 Weltcupsiegen überholt hat, hat sich der Österreicher Nykänens Rekord zum Ziel gesetzt. Mit dem Finnen will ihn Werner Schuster allerdings nicht vergleichen. „Nykänen war einzigartig auf der Schanze“, sagt er, „aber er besaß die Genialität nur auf der Schanze und war ein bisschen verloren im Leben.“

Der Finne schrieb nach seiner Karriere mit Alkoholexzessen, Gewaltausbrüchen und Gefängnisaufenthalten negative Schlagzeilen. „Gregor Schlierenzauer hat da ganz andere Optionen“, sagt Schuster Allerdings gehen ihm sportlich fast schon die Ziele aus. „Die 47 Weltcupsiege und Olympiaeinzelgold“ nennt er als weitere Vorhaben. Das eine ist nahe, das andere könnte er im nächsten Jahr bei den Spielen in Sotschi erreichen. Oder auch später. „Das Genialste ist, dass ich noch sehr jung bin – ich habe eigentlich Zeit ohne Ende“, sagt Schlierenzauer. Für alle anderen klingt das wie eine Drohung.

Für Alexander Stöckl ist daher nicht so wichtig, wann Schlierenzauer den Rekord erreicht. Der norwegische Cheftrainer sagt: „Die Frage ist vielmehr, wie lange er durchhält und wie schwer er es den nächsten macht, seinen Rekord zu übertreffen.“ Schon jetzt ist klar: Nachfolgende Generationen werden es sehr, sehr schwer haben.

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