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Extremregatta Vendée Globe: Solange es einen Plan gibt

Am 11. November ging es los. 20 Extremsegler bestiegen verwegen konstruierte Rennjachten, um allein um den Globus zu jagen. Die ersten mussten nach Kollisionen mit Fischerbooten bereits aufgeben. Einem weiteren fiel der Kiel ab. Ein Resumee der ersten Tage.

Stand:

Für die ersten vier bis fünf Tage hatten sie einen Plan. Schon vor dem Start zum siebten Vendée-Globe-Rennen um die Welt ließ sich zuverlässig vorhersagen, welches Wetter die 20 Solosegler erwarten würde. Dass eine Tiefdruckrinne mit schwachen Winden sich ihnen wie eine Barriere in den Weg legen und ihre Nerven schon gleich zu Beginn ihres 26.000-Meilen-Trips arg strapazieren würde. Schwache Winde sind immer ein Problem, und nun ist es auch genau so gekommen.

Seit das Teilnehmerfeld am 10. November vom französischen Les Sables d’Olonne aus zu seiner mythischen Wettfahrt aufbrach, hat es sich um das spanische Kap Finisterre herumgedrückt und ist mit komfortablen achterlichen Winden entlang der portugiesischen Küste nach Süden gerauscht. Francois Gabart, der 29-jährige Neuling in dieser Meisterklasse der Einhandsegler, setzte sich schon früh an die Spitze. Er bedient eines der jüngsten Open-60-Boote, was ihm ohnehin einen kleinen Geschwindigkeitsvorteil verschaffen sollte. Aber es ist vor allem seine flinke unerschrockene Fröhlichkeit, die ihn den Veteranen Mike Golding, Jean Le Cam oder Bernard Stamm vorauseilen lässt.

„Ein entschlossener Segler, der sein Schiff an die richtige Stelle lenkt, ohne es zu beschädigen, ist viel schneller als das Boot als solches“, sagte der britische Designer Merf Owen vor dem Rennen. Die neueste Generation der Open 60 sei drei Prozent schneller als ältere Exemplare. Mit Modifizierungen könnten diese den Abstand auf ein Prozent verringern, was eine Differenz von 0,13 Knoten ausmacht. „Ein Skipper“, Owen nennt sie „Jockeys“, „der sein Tempo mit einer Großen Genua hoch hält, während die anderen Jungs einpacken und auf eine Fock wechseln, wird zwei Knoten schneller sein.“

Owen hat die Gamesa konstruiert, mit der Mike Golding sich wacker schlägt. Der Brite hält sich an fünfter Position. Mit 52 Jahren hat der ehemalige Feuerwehrmann ein Alter erreicht, in dem er auf seine Erfahrung setzen muss. Doch er stöhnt. Die ersten 24 Stunden an Bord der Gamesa seien die Tortur gewesen, die er erwartet hatte. Nachdem er den Schlafmangel ein bisschen habe ausgleichen können, gehe es ihm am vierten Renntag besser. Aber, sagt er, er fühle sich ziemlich „ausgesetzt“ da draußen.

Das ist der Anflug von Zweifel, der einen reifen und klugen Mann auszeichnet. 

Tatsächlich ist die erste Nacht für viele Einhandsegler die schrecklichste. Eben noch vom Getümmel der Begleitboote umgeben und von dem Hochgefühl befeuert, mit 20 Gleichgesinnten zu einer Fahrt ins Ungewisse aufzubrechen, werden sie mit Anbruch der Finsternis das erste mal seit Monaten auf sich selbst zurückgeworfen. Das ist deprimierend. Und darauf vorbereiten kann man sich nicht. Hatten die Skipper zuvor doch vor allem Interviews zu geben, Sicherheitskurse zu absolvieren, komplizierte technische Fragen zu lösen und ein Boot auszurüsten, das schneller als die anderen sein soll. Die To-Do-Listen waren endlos. Und dann waren da noch die Familien, die Kinder und Ehefrauen, die viele von diesen Einzelgängern zurücklassen. Hart, denen begreiflich zu machen, warum sie die Einsamkeit suchen.

Ein erster Rundumblick am Morgen: Allein

Nach dem Start am 11. November zerstreuen sich die Hochleistungsjachten auf dem Ozean.

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Es war ein bewegender Abschied. Zehntausende Franzosen säumten die Hafenmole, begleiteten die Rennjachten auf Begleitbooten hinaus zur Startlinie und noch ein Stück des Weges. Am Horizont, weit draußen auf jenem Ozean, der die Skipper nun für drei Monate aufnehmen wird, wischten Regenschauer wie schwere Vorhänge durchs Bild.

Wie viel Ambition bei dem Vendée Globe im Spiel ist, zeigte sich bald. Vier Jachten kreuzten zu früh über die Startlinie und mussten kehrt machen. Darunter Vincent Riou auf PRB, der sich ein kompliziertes Wendemanöver lieber erspart hätte. Jeder größere Kurswechsel kostet den Skipper eine Viertelstunde. Aber es war für Riou einfach zu verlockend gewesen, den Konkurrenten zu zeigen, worum es ihm geht. Nur am Start sehen sie einander noch einmal, bevor dann jeder für sich ist.   

Safran-Skipper Marc Gouillemot bei seiner Rückkehr.

© dapd

Die Safran mit Marc Guillemot kam am besten weg, führte das Regattafeld aus der Bucht von Les Sables d’Olonne hinaus. Aber dann geschah es. Alex Thomson, der eine halbe Meile querab segelte, war Zeuge: „Safran wurde heftig auf die Seite geworfen, ich dachte an eine Bö, aber das Boot blieb in Schräglage liegen.“

Guillemot hörte einen lauten Knall, als ihm der Kiel 30 Zentimeter unterhalb des Rumpfes abbrach. Sein Open 60 verlor damit das Gegengewicht, das ihn aufrecht hielt. Indem der Skipper sofort die Schoten los warf, verhinderte er eine Kenterung. Der Mann mit dem melancholischen Blick kehrte aus eigener Kraft in den Hafen zurück und sah nun noch bedrückter aus als ohnehin schon.

Dann senkte sich die Nacht über die Flotte. Und jeder war mit sich allein. Am nächsten Morgen, als das erste Tageslicht die Skipper für einen Rundumblick an Deck holte, waren die anderen verschwunden. Von da an waren sie Lichtpunkte auf dem Computerbildschirm, an dem der Skipper die meiste Zeit verbringt. Hier wertet er die Wetterdaten aus, tüftelt an seiner Strategie und schläft, wenn er kann.

Kito de Pavant besichtigt in Cascais das Loch, das die Kollision mit einem Fischtrawler in seinen Rumpf gerissen hat.

© Vendée Globe

Kito de Pavant machte gerade ein Nickerchen, als er mit einem Fischtrawler kollidierte. Es krachte, er eilte an Deck. Dort sah er die Bescherung. Ein Loch klaffte im Rumpf, der Bugspriet war abgeknickt, dass der Mast nicht auch gleich noch umfiel, war Glück. De Pavant aber war am Boden zerstört. Schon 2008 ist der 51-Jährige am ersten Tag mit einer Havarie ausgeschieden. „Ich weiß nicht“, sagte er jetzt, „ob ich das Vendée Globe einfach nicht mag, oder ob es das Vendée Globe ist, das mich nicht leiden kann.“

Am Mittwoch ereilt es dann Louis Burton, einen 27-jährigen Pariser Geschäftsmann, auf der Bureau Vallée. Auch er kollidierte mit einem Fischerboot. Der Schaden war nicht sofort zu erkennen. Doch die Befürchtung, dass das Rigg etwas abbekommen haben könnte, ließ den jungen Franzosen nach Norden abdrehen.

So früh kann alles vorbei sein. Während de Pavant mit seiner demolierten Groupe Bel im portugiesischen Cascais anlegt, fällt hinter ihm eine andere Entscheidung. Welcher Plan geht am besten auf. Francois Gabart ist auf der Macif weit nach Süden gesegelt, hat am längsten von der guten Nordbrise profitiert, bevor auch ihn die Flaute umschloss wie eine klebrige Masse. Oder sollte Gabart die Lücke gefunden haben? Denn er hält sein Tempo konstant hoch – bei etwa 18 Knoten -, während die Übrigen einen Tag lang nicht einmal die Hälfte schafften.

Vincent "der Schreckliche" Riou hat hoch gepokert. Es könnte sich ausgezahlt haben.

© PRB

Vor allem Vincent Riou dürfte diese Entwicklung zu schaffen machen. Er hatte zunächst hinter Gabart an zweiter Position gelegen. Da auch der Vendée-Sieger von 2004 ein neues Boot besitzt und für seinen konstant energischen Segelstil bekannt ist, wäre es dem Jüngeren schwer gefallen, ihn abzuschütteln. Doch Riou drehte von sich aus ab, scherte als erster nach Westen aus, um die Flaute an ihrem nördlichen Ende zu fassen zu kriegen. Auf deren Rückseite warten kräftige Winde bis zu Sturmstärke. Doch erstmal lag Riou fest und fiel auf den zehnten Rang zurück. Während Gabart 113 Meilen weiter südlich seinen Vorsprung ausbaute.

Trotzdem scheint sich Rious Plan auszuzahlen. Am Mittwoch nimmt er Fahrt auf, schiebt sich binnen weniger Stunden auf Rang sechs und dürfte nun der erste sein, der mit stürmischen Winden aus Nordwest einen kräftigen Schub bekommt.

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