Sport: Spiel gegen den Abschied
Verlieren die Eisbären heute, endet die erfolgreiche Ära unter Pierre Pagé
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Berlin - Die Zukunft der Eisbären wächst am Berliner Ostbahnhof. Der Unterring der O2-World ist fast fertiggestellt, er lässt erahnen, wie gewaltig Berlins größte geschlossene Arena einmal aussehen wird. Die Eisbären wollen dann ab September 2008 dort 14 000 Zuschauer auf hohem Niveau unterhalten. Seit fünf Jahren, seit Pierre Pagé Trainer bei den Berlinern ist, bereitet sich der Eishockeyklub in der kleinen alten Halle in Hohenschönhausen auf den Umzug vor, hat deutsche Spieler auf hohem Niveau ausgebildet und sich einen Namen gemacht: Zwei Mal sind die Berliner zuletzt Deutscher Meister geworden. Bis zum Saisonbeginn im September 2006 waren die Eisbären ein sportlich erfolgreiches Unternehmen mit Perspektive.
Sieben Monate später sieht es anders aus. Trainer Pagé verlässt den Klub auf eigenen Wunsch zum Saisonende und sagt: „Ich gehe nicht gerne, weil mir Berlin ans Herz gewachsen ist, aber ich habe gute Gründe.“ Denn die Eisbären haben sich zu einem sportlich mäßig erfolgreichen Unternehmen zurückentwickelt, mit schwammiger Perspektive: Verlieren sie heute das dritte Spiel bei den Frankfurt Lions in der Qualifikationsrunde (19.30 Uhr, live auf Premiere), dann finden die Play-offs erstmals seit dem Jahr 2000 ohne Eisbären statt, gleichzeitig wäre die Arbeit von Pagé in Berlin beendet.
Nach dem Berliner 4:3-Auswärtssieg am Freitag und der 1:2-Heimniederlage am Sonntag überlebt heute nur ein Team die „Best-of-three“-Serie, die der Achte und Neunte der Hauptrunde ausspielen. „Heimrecht oder nicht, das ist jetzt egal“, sagt Eisbären-Stürmer Sven Felski, „wir müssen am Dienstag gewinnen.“ Und dann? Die Saison ist für die Berliner wohl verloren, selbst wenn sie in Frankfurt siegen. In einer Play-off-Viertelfinalserie gegen Adler Mannheim, das überragende Team dieser Saison, werden sie in ihrer momentanen Verfassung wenig ausrichten können.
Das Eishockey, das Lions und Eisbären bisher spielten, war erstaunlich emotionslos. Es treffen sich in der Hoffnungsrunde der Deutschen Eishockey-Liga eben zwei Teams, deren Weg nach unten geht. In Frankfurt haben sie aus dem Titelgewinn von 2004 nichts gemacht, spielen mit den in die Jahre gekommenen Helden von damals und träumen immer noch von einer neuen Arena. In Berlin dagegen haben sie in dieser Saison einen schnellen Fall hinter sich. Katastrophale Fehleinschätzungen bei den Verpflichtungen neuer Spieler, ein zerrüttetes Verhältnis zwischen Manager Peter John Lee und Trainer Pagé – und nun eine Mannschaft, die keine mehr zu sein scheint. Derart lustlos wie einige erfahrene Berliner Profis am Sonntag beim 1:2 über das Eis huschten, müssen die Verantwortlichen der Eisbären Angst bekommen. Einige der älteren Profis haben Verträge über die Saison hinaus. Der Nachfolger von Pierre Pagé wird mit Spielern arbeiten müssen, die jetzt schon nicht mehr so recht wollen oder können. Eine undankbare bis unlösbare Aufgabe. Die Berliner haben in dieser Saison den Anschluss an die nationale Spitze verloren. Auch scheint ihre zweite Mannschaft als Basis nicht mehr so recht funktionieren: Die Juniors belegen nach einer chaotischen Saison in der Oberliga den vorletzten Tabellenplatz.
Natürlich muss Pierre Pagé daran glauben, die Saison weit über das heutige Spiel ausdehnen zu können, um seine erfolgreiche Zeit in Berlin würdig abzuschließen. „Ich denke bis zum 22. April“, sagt der Kanadier. Dann würde das fünfte Spiel der Finalserie stattfinden. Doch so wie sich der Berliner Klub zurzeit präsentiert, ist nicht davon auszugehen, dass die Fans im Sportforum in dieser oder nächsten Saison noch einmal eine Endspielserie der DEL zu sehen bekommen. Ob dann die Zuschauer schon 2008 in der großen O2-World mehr Glück haben? Wohl nur dann, wenn die Eisbären in ihrer Aufbauarbeit da weiter machen, wo sie vor der Saison aufgehört haben.
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