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Sport: Spitze in der Breite

Lutz Lindemann hat mit dem Berliner Fusionsverein FC Viktoria 1889 viel vor.

Berlin - Über zu wenig Arbeit kann sich Lutz Lindemann in diesen Tagen nicht beklagen. Seit dem 1. Juli 2013 ist er Sportlicher Leiter des fusionierten Großvereins FC Viktoria 1899 Berlin. Im Flur der Geschäftsstelle am Ostpreußendamm in Lichterfelde stapeln sich Kisten. Ein paar Schränke müssen auch noch angebracht werden. In der Küche wird gebohrt.

Noch ist alles etwas ungewohnt und neu für Lindemann. Das beginnt beim Berliner Stadtverkehr. „Wenn ich für einen Termin quer durch die Stadt fahren muss und mir das Navigationsgerät 38 Minuten berechnet, ich aber eine Stunde brauche, ist das eine wichtige Erfahrung für mich.“

Lutz Lindemann hat im Fußball nach eigenen Aussagen „alles erlebt“. Er spielte in Magdeburg, Erfurt und Jena, lief 21 Mal für die Nationalelf der DDR auf. Dann wurde er Trainer und Manager, manchmal beides gleichzeitig, nach der Wende in Jena, Aue und Halle. Vor vier Jahren, 2009, zog es den heute 64-Jährigen zu den Sportfreunden Siegen nach Nordrhein-Westfalen. Im Osten kannte man ihn, im Westen hingegen kaum. Dort musste sich der gebürtige Halberstädter als Sportdirektor zunächst ein Netzwerk und Vertrauen aufbauen.

Im Sommer 2012, drei Jahre nach Amtsantritt, gelang dem Verein der Aufstieg in die Regionalliga. Was er aber dort vermisst habe, sei der Glaube an einen erneuten Aufstieg gewesen. Der Anruf eines alten Freundes sollte sich als perfektes Timing erweisen. Frank Lange, langjähriger Zeugwart und Mannschaftsleiter bei Tennis Borussia Berlin, berichtete Lindemann von der geplanten Fusion des BFC Viktoria 1889 mit dem Lichterfelder FC 1892. Treffen und Telefonate mit dem Viktoria-Präsidenten Christoph Schulte-Kaubrügger nahmen Lindemann seine anfängliche Skepsis. „Andere in meinem Alter gehen in den Baumarkt oder zum Kiosk und warten darauf, dass der Tag vergeht. Aber so bin ich nicht. Ich wollte noch einmal etwas Neues beginnen.“

Mit der Fusion ist Viktoria 1889 nach eigenen Angaben zum mitgliederstärksten Verein Deutschlands aufgestiegen – jedenfalls, was die Zahl der aktiven Mitglieder betrifft, 1750 sind es laut Verein. Als „dritte Kraft“ des Berliner Fußballs versteht der Manager den Klub aber nicht. „Wir haben hier etwas Eigenes vor“, erklärt Lindemann, dessen Vertrag zunächst auf zwei Jahre begrenzt sein wird. „Neben dem leistungsorientierten Fußball setzen wir weiterhin auf den Breitensport. Wir wollen ein Verein bleiben, zu dem neben Fachpublikum auch Familien zu den Spielen kommen.“

Die sportlichen Ziele stehen fest: Zunächst soll die erste Mannschaft in der Regionalliga mithilfe von Neuverpflichtungen stabilisiert werden. Lindemann weiß, dass auf ihm viele Hoffnungen ruhen. Ein „Wunderheiler“ sei er trotzdem nicht: „Es geht nur im Team.“ Lindemann hat Pläne. Ein Treffen mit Nico Schäfer, dem Geschäftsführer vom 1. FC Union, ist außerdem vorgesehen. „Ich bewundere die Entwicklung, die der Verein in den vergangenen Jahren genommen hat. Vielleicht können wir von den Erfahrungen ja etwas für uns verwenden.“ Auch ein Besuch bei Frank Vogel, Nachwuchskoordinator bei Hertha BSC, steht auf Lindemanns Liste.

Mit seinem Amtsantritt wird er nun wöchentlich zwischen Berlin und Erfurt pendeln. Seine Frau und er kennen das nicht anders, seit 43 Jahren. Und im Vergleich zur Fahrt ins Siegerland „ist die Strecke nun ein Katzensprung“. In einer Woche feiert Lindemann seinen 65. Geburtstag. Manch einer mag sich da zurücklehnen, nicht er. „Wenn ich zu Hause bin, tut mir mein Knie weh. Aber wenn ich zu tun habe, geht es mir gut.“ Das glaubt man ihm sofort. Johanna Behre

Johanna Behre

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