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Emma Raducanu fällt der Fokus auf Tennis im Moment schwer. 

© IMAGO/ABACAPRESS

Stalking im Sport: Tennis-Talent Emma Raducanu spricht über Vorfall in Dubai

Emma Raducanu ist das jüngste prominente Opfer von Stalking im Sport. Die Liste der Betroffenen ist lang, allumfassender Schutz unmöglich.

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Es lief nicht viel zusammen bei Emma Raducanu, als sie Mitte Februar bei den Dubai Championships gegen die Tschechin Karolina Muchova spielte. Raducanu gilt als eines der größten Talente im Tennis.

Mit gerade einmal 18 Jahren gewann sie bereits ein Grand-Slam-Turnier. Experten sind sich sicher: Bleibt sie von Verletzungen verschont, werden bald weitere große Siege folgen.

Doch wie sich nun zeigt, könnten nicht nur physische Blessuren die Karriere der außergewöhnlich talentierten Britin ausbremsen. Gegen Muchova nämlich, so erzählte Raducanu jüngst einem Reporter, habe sie den Ball vor lauter Tränen nicht mehr gesehen – „ich konnte kaum atmen“.

Der Grund: Ein Mann, der Raducanu seit Wochen auflauerte, saß auch in Dubai auf der Tribüne und beobachtete sie. Die 22-Jährige unterbrach das Spiel und informierte die Schiedsrichterin. Kurz darauf wurde der Mann von Sicherheitskräften aus der Arena gebracht und von der Polizei festgenommen.

Zuvor hatte er ihr bereits einen Brief übergeben und ein Foto von ihr gemacht. Die Grenze war überschritten, zumal ihr der Fremde schon zuvor durch seine Anwesenheit bei den Turnieren in Singapur, Abu Dhabi und Doha aufgefallen war.

Raducanus eigener Betreuerstab spielte dabei in Dubai eine unrühmliche Rolle. Die Spielerin hatte ihr Team über den Stalker, der ihr nachgereist war, informiert. Doch die Organisatoren des Turniers wurden erst wenige Stunden vor Spielbeginn darüber in Kenntnis gesetzt. Der Sicherheitsdienst schaffte es in der Kürze der Zeit nicht, den Mann am Besuch des Spiels zu hindern.

Raducanu ist in dieser Hinsicht stark sensibilisiert. Kein Wunder, denn schon vor drei Jahren war sie Opfer eines Stalkers und erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen ihn.

Das Thema ist nicht neu, es taucht im Sport immer wieder auf. Die Opfer sind meist junge Frauen, die Täter oft Männer. Die Liste ist lang. Bekannte Betroffene hierzulande sind die frühere Eiskunstläuferin Katarina Witt, die ehemalige Tennisspielerin Steffi Graf oder Biathlon-Olympiasiegerin Magdalena Neuner.

Katarina Witt erhielt bereits zu Beginn ihrer Karriere sexuell konnotierte Briefe, wie aus Akten des Deutschen Turn- und Sportbundes hervorgeht. Später wurde sie das Stalking-Opfer eines US-Amerikaners, der sie bis zu ihrem Haus verfolgte.

Viele hoffen, dass, wenn sie die Person umkreisen, etwas von deren Glanz auf sie selbst abstrahlt.

Wolf Ortiz-Müller, Leiter der Beratungsstelle „Stop-Stalking“

Besonders erschütternd war der Fall Steffi Graf. Ein fanatischer Anhänger rammte 1993 bei einem Turnier in Hamburg ihrer Konkurrentin Monica Seles ein Messer in den Rücken. Sein Motiv: Graf sollte die Beste bleiben; er hasste Seles, die damals die Nummer eins im Tennis war. Zwei Jahre lang konnte Seles, die vor allem psychisch litt, kein Spiel bestreiten.

Beim Stalking prominenter Personen sei der Übergang vom Fan zum Täter oft fließend, sagt Wolf Ortiz-Müller. Der Psychotherapeut leitet die Beratungsstelle „Stop-Stalking“, die 2008 in Berlin eröffnet wurde. Ein Jahr zuvor war der Paragraf 238 StGB, das Nachstellungsgesetz, in Kraft getreten.

„Prominente sind durch ihre mediale Präsenz eher betroffen als andere“, sagt Ortiz-Müller. Oft bestehe der Wunsch, dass der oder vielmehr die Angehimmelte Teil der eigenen Identität werde. „Viele hoffen, dass, wenn sie die Person umkreisen, etwas von deren Glanz auf sie selbst abstrahlt.“ Häufig sei Stalking sexuell aufgeladen, erklärt Ortiz-Müller.

Viele Opfer wissen nicht, an wen sie sich wenden können. „Dass es hierzulande einen Strafgesetzparagrafen gibt, ist oft unbekannt“, sagt Ortiz-Müller, was dazu führe, dass Betroffene schweigen. „Die Dunkelziffer ist extrem hoch.“

Fälle wie der von Emma Raducanu haben – so belastend sie für die Betroffenen sind – den Vorteil, dass sie Aufmerksamkeit für das Thema schaffen.

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