zum Hauptinhalt
Piratenpartei. Die Fangruppe der „Sozialromantiker“ prangert einen Verrat der Ideale beim FC St. Pauli an. Foto: dpa

© dpa

Sport: Stripper in Disneyland

St. Paulis Fans protestieren vor dem Hamburg-Derby

Beim FC St. Pauli geht es längst nicht mehr nur um Fußball im eigentlichen Sinne, um Tore und Punkte und auch nicht um das Derby am heutigen Sonntag (15.30 Uhr) gegen den Hamburger SV. Es geht darum, wem der Verein gehört – den Verantwortlichen oder den Anhängern.

Vielen Fans des FC ist die Vereinsführung um Präsident Stefan Orth und Manager Helmut Schulte einen Schritt zu weit gegangen in ihrem Vermarktungsbemühen: vor allem an einer Loge auf der Haupttribüne entzündet sich der Zorn. Das von einer Tabledance-Bar der nahen Reeperbahn gemietete sogenannte „Separée“ lässt während des Spiels Stripperinnen an der Stange tanzen. Immer, wenn St. Pauli ein Tor schießt. Das und anderes brachten einen Teil der Fans auf die Barrikaden. Sie nennen sich „Sozialromantiker“ und wollen anonym bleiben: keine Interviews, keine Gesichter. Nur eine Internetseite. Mehr als 4200 Anhänger des Vereins haben dort eine Petition unterschrieben und wenden sich nun gemeinsam gegen den schleichenden Kommerz im Klub und den Verrat ihrer Ideale, zu denen auch der Kampf gegen Sexismus gehört.

Wie mächtig diese Bewegung ist, zeigte sich in den ersten beiden Heimspielen. Nicht mehr Braun und Weiß waren die markanten Farben am Millerntor. Das ganze Stadion war in Schwarz und Rot getaucht; der „Jolly Rouge“, der karibische Totenkopf auf rotem Hintergrund, eine leichte Abwandlung des bekannten „Pauli“-Totenkopfes, ist das Symbol einer größer werdenden Fraktion geworden, die sich nicht länger von Versprechungen hinhalten lassen will. Im Internet wurde schon offen gedroht: „Wenn ihr, wertes Präsidium, unseren Forderungen nicht nachkommt, werden wir in den offenen Widerstand gehen. Wir werden den Stadionbesuch boykottieren.“ Spinner sind die Sozialromantiker nicht. Sie gelten als verhandlungsbereit und repräsentieren einen Schnitt durch die Gesellschaft. Inzwischen hat Präsident Orth eingelenkt. Er sagt: „Wir alle wollen, dass St. Pauli der etwas andere Verein bleibt und nicht übermäßig kommerzialisiert wird. Bei uns wird es kein Disneyland geben, kein mit Werbung zugepflastertes Stadion.“ Orth hat zugegeben, dass eine andere Werbeaktion einen Schritt zu weit ging – im Dezember lenkte ein LED-Laufband auf halber Tribünenhöhe vom Geschehen auf dem Rasen ab, man konnte dort via SMS Grußbotschaften versenden, für Geld, versteht sich. Das war zuviel, findet Orth: „Wir haben einige kleine Fehler gemacht, die das Fass zum Überlaufen brachten.“ Das LED-Laufband ist verschwunden, und die Stripperinnen sollen sich nur noch vor und nach dem Spiel für die Logengäste ausziehen. Ein Teil der Business-Seats  – ihre Anzahl kritisieren die Sozialromantiker ebenfalls – soll zudem zu normalen Sitzplatz-Preisen angeboten werden. Das waren Ergebnisse eines Treffens des Präsidiums mit dem „Ständigen Fanausschuss“ Ende Januar. Bis in die Nacht wurde über die Grenzen der Kommerzialisierung gestritten. Die Sozialromantiker fehlten bewusst am Tisch, sie wollen anonym bleiben. Zeigen werden sie sich und ihre Farben natürlich dennoch: auch an diesem Sonntag im Hamburger Derby beim HSV.

Zur Startseite