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Eine Rarität, vor allem in der DDR. Ein Aufnäher der Fans von Hertha BSC und dem 1. FC Union.

© Zentrum für Deutsche Sportgeschichte

Tagesspiegel-Archiv: Hertha BSC gegen Union: So war das vor 25 Jahren

Vor 25 Jahren: Wir haben ins Tagesspiegel-Archiv geschaut, wie es denn damals war, so kurz nach dem Mauerfall - als Hertha BSC am 27. Januar 1990 gegen Union spielte. Lesen Sie hier den Bericht

"Rundum nur Gewinner beim Berliner Fußball-Familienfest - Über 50.000 Zuschauer sahen im Olympiastadion Herthas 2:1 über eine starke Union-Elf". So beginnt der Text von Tagesspiegel-Redakteur Thomas Zellmer, der vom Derby zwischen Hertha BSC und dem 1.FC Union berichtete. Es war ein Fußballspiel der Kategorie: „Weeßte noch?“ Unter folgendem Link lesen Sie die Erinnerungen eines langjährigen Hertha-Fans. Es war schließlich ein großes Ost-West-Fanfest, mit Intershop, Trabi und Ost-Mark. Woran erinnern Sie sich? Und hier unten lesen Sie den Originalspielbericht vom Tagesspiegel am 28. Januar 1990.

"Wenn es um Meisterschaftspunkte geht, prallen die Meinungen der Kontrahenten zumeist „giftig“ aufeinander. Gestern beim Berliner Fußball-„Familienfest“ im Olympiastadion vor 51.270 zahlenden Zuschauern gab es nicht den leisesten Anflug differierender Ansichten, Schulterklopfen und Freude auf allen Seiten herrschten vor. Der Berliner Zweitligist Hertha BSC gewann das Freundschaftsspiel gegen den 1. FC Union aus Ost-Berlin 2:1 (1:1) – und fühlte sich nur als ein Sieger unter vielen.

Trainer beim 1. FC Union war damals Karsten Heine

Trainer beim 1. FC Union war damals Karsten Heine Auch beim Gegner war Stolz darüber zu spüren, dass man eine feine und allseits gelobte Leistung geboten hatte. Die Länderspielkulisse im Stadion dankte beiden Teams nach der Partie mit einem donnernden Applaus. Hertha-Manager Horst Wolter sagte: „Wir sind zufrieden, froh und glücklich – es war ein Erlebnis, die turbulenten letzten Wochen haben sich gelohnt.“ Union-Trainer Karsten Heine, dessen Mannschaft in technischer Hinsicht sogar gegenüber Hertha ein kleines Plus aufwies, fiel in den allgemeinen Jubel ein: „Kein einziger Zuschauer brauchte sein Kommen zu bereuen. Die Niederlage schmerzt mich überhaupt nicht, ganz im Gegenteil: Sie gibt uns Auftrieb für unsere zu bewältigenden Aufgaben in der Meisterschaftsrückrunde.“ Der 1. FC Union ist bekanntlich in der DDR-Liga (der zweithöchsten Spielklasse) Tabellenzweiter und neben Frankfurt / Oder ernsthafter Aufstiegsaspirant. 

Die farbige und abwechlungsreiche Partie hatte über weite Strecken – in Bundesligakategorien gesprochen – gutes Zweitligaformat. Erst im zweiten Durchgang, als beide Mannschaften wegen des anfangs vorgelegten hohen Tempos zunehmend ins „Pusten“ kamen (Union noch mehr als Hertha), und dazu eine Fülle von Auswechslungen den Rhythmus störten, ließ die Klasse nach. Hertha brachte im Verlauf des zweiten Abschnitts nicht weniger als sieben neue Spieler auf den Rasen, Union vier neue Akteure.

Herthas StürmerAxel Kruse war im Sommer nach West-Berlin geflüchtet und traf zum 1:0

Glänzendes Debüt von Axel Kruse 72 Minuten lang durfte der im Sommer aus Rostock nach West-Berlin gekommene Axel Kruse das Trikot seines neuen Arbeitsgebers tragen. Der in Bewegungen und Statur an den früheren Nürnberger und auch für einige Jahre bei Hertha BSC tätigen Dieter Nüssing erinnernde Blondschopf Kruse feierte ein Debüt nach Maß. Nach einem geschickten Freistoß von Gowitzke aufs kurze Ecke, den Union-Torhüter Lihsa gerade noch abklatschen konnte, war Kruse wie ein Habicht zum 1:0 zur Stelle (13.). Auch in der Folgezeit gelang dem Neu-Herthaner Vielversprechendes. Sein Premierenspiel für den Zweitligisten mit Ambitionen zur Erstklassigkeit war auf jeden Fall imponierender als das des Robert Holzer (von Blau-Weiß 90 gekommen). Trainer Fuchs sagte jedoch später: „Ich war mit beiden zufrieden.“ Die Feldspielpremiere von René Unglaube, früher Vorwärts Frankfurt/Oder und 1. FC Union, dauerte dagegen nur 18 Minuten und war noch nicht zu bewerten.

Beim 1. FC Union waren zwei frühere Spieler des BFC Dynamo die auffälligsten Akteure, nämlich die ballgewandten Thomas Grether und Kapitän Olaf Seier. Grether hatte in der 1. und 71. Minute gute Torchancen, scheiterte aber jeweils am Hertha-Schlußmann Junghans. Das 1:1 der Unioner fiel in der 25. Minute durch einen fulminanten 16-m-Schuß von Sirocks, bei dem Jungshans keine Abwehrmöglichkeit hatte. Nur Herthas Siegtreffer war noch schöner: Durch Greiser acht Minuten vor Schluß, dessen 20-m-Schuß wie „ein Strich“ in den Dreiangel fuhr. Weitere Chancen für Gries (Pfostenschuß) und Lünsmann standen bei den Gastgebern zu Buche, für Union scheiterte Seier nach sehenswertem 30-m-Paß von Wittke aus Nahdistanz an Junghans.

"Eisern Union"? Nein, die Fans riefen "Eisern Berlin"

Der 1. FC Union stand zuletzt vor 14 Jahren im damaligen Oberligaspiel gegen den BFC Dynamo im Stadion der Weltjugend einer ähnlichen Besucherkulisse gegenüber. Hertha hatte im November 1989 in einem ebenso wie gestern gesponserten Spiel gegen Wattenscheid einen derartigen Zuspruch. Die gestrigen Einnahmen – Einheitspreis fünf Mark in Ost und West – gehen bekanntlich an medizinische Einrichtungen in der DDR. Erfreulich war auch, dass die Verbrüderung der Ost- und Westfans (geschätzter Besucheranteil 36.000 zu 15.000 im Stadion zugunsten der Gäste) ohne erkennbare größere Dissonanzen verlief. Beide Teams wurden gleichermaßen angefeuert, auch ein neuer Sprechchor „Eisern Berlin“ war zu hören.

Plötzlich kamen Fans vom BFC Dynamo, die Fans riefen "Stasi raus!"

Zwischenzeitliche Unruhen gab es im Stadion nur, als Unioner und Herthaner im Oberringblock neben der Uhr an der Marathonseite rund 100 Anhänger des BFC Dynamo erkannt hatten. „Stasi raus“ hallte es immer wieder, die West-Berliner Polizei führte die Dynamo-Anhänger eine Viertelstunde vor Spielschluss zu ihrem eigenen Schutz aus dem Stadion, um beginnende Rangeleien zu unterbinden. Dazu soll es nach ersten Polizeiberichten nach dem Spiel nur zu „unerheblichen Konfrontationen“ zwischen Anhängern beider Vereine und 80 DDR-Skinheads gekommen sein. Es wäre schön, wenn diese Bilanz auch noch heute gilt. Denn „Familienfeste“ pflegen im allgemeinen friedlich abzulaufen.
 
Hertha BSC: Junghans, Greiser, Lünsmann (46. Mischke), Jakobs, Halvorsen, Holzer (84. Niebel), Patzke (88. Kuhlow), Gries (88. Kurtenbach), Gowitzke (46. Zernicke), Klaus (46. Kretschmer), Kruse (72. Unglaube).

1. FC Union: Lihsa (46. Kostmann), Wittke, Maek, Placzek, Olbrecht (84. Krüger), Sirocks, Schickgram (79. Schokoknecht), Henckel (65. Hackbusch), Grether, Seier, Adamczewski.

Schiedsrichter: Brand-Chollé (Post SV)

Zuschauer: 51.270

Torfolge: 13. Min 1:0 Kruse, 25. Min. 1:1 Sirocks, 82. Min. 2:1 Greiser".

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