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Sport: Treten ist männlich

Vor fünfzig Jahren verbot der DFB den Frauen das Fußballspielen – sie hielten sich nicht dran und organisierten inoffizielle Turniere und sogar eine EM

Dass Männer Gefühle zeigen können, durfte Rolf Warschun 1951 erleben. Damals schmiss vor ihm ein Vereinsfunktionär vom FC Blau-Weiß Oberhausen seine Zigarre auf die Erde und trampelte darauf herum. „Damenfußball“, schrie der Mann dabei, „das hat es noch nie gegeben, ich verbiete Ihnen das.“ Warschun hatte die damals offenbar unerhörte Idee gehabt, 22 Frauen zu einem öffentlichen Fußballspiel antreten lassen zu wollen, was nicht nur bei dem Funktionär große Wut auslöste. Auch der Oberbürgermeister und die Presse sprachen sich dagegen aus. Das Spiel fand trotzdem im Frühjahr vor zahlreichen Zuschauern statt – doch Rolf Warschun war seine Fußball-Ehrenämter los. Der Fußballverband sperrte ihn auf Lebenszeit.

Der Damenfußball und seine Förderer hatten es schwer in seinen Anfangsjahren. Schon die Sittenwächter im wilhelminischen Deutschland um 1900 hatten Spreiz-, Grätsch- und Stoßbewegungen der Frau als anstößig gegeißelt. Sie lehnten jegliche Beteiligung der Frauen an Wettkampfsportarten ab und behaupteten gar, dass dadurch die weiblichen Geschlechtsorgane aus ihrer natürlichen Lage gebracht werden könnten. Noch 1953 gelangte der Psychologe Frederik Buytendijk in seiner Studie zum Fußballspiel zu der Erkenntnis: „Es ist noch nie gelungen, Frauen Fußball spielen zu lassen, das Treten ist wohl spezifisch männlich; ob darum Getretenwerden weiblich ist, lasse ich dahingestellt.“

Trotz solcher Urteile ließen sich die Frauen in den folgenden Jahrzehnten nicht abschrecken, im Gegenteil. Insbesondere nach dem Weltmeistertitel 1954 wollten immer mehr Mädchen und Frauen in Deutschland Fußball spielen. Doch auch die Trainerlegende Sepp Herberger wehrte ab. „Fußball ist keine Sportart, die für Damen geeignet ist, eben schon deshalb, weil er ein Kampfsport ist.“ So wie Herberger dachte seinerzeit fast jeder in der Männergesellschaft des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Für den damaligen Verbandspräsidenten Peco Bauwens war Damenfußball indiskutabel. „Wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen.“ Einmal aber doch: Am 30. Juli 1955 beschloss der DFB auf seinem Bundestag in Berlin einstimmig ein Damenfußballverbot. Dieses störte die Damen jedoch wenig. Sie kickten unverdrossen weiter.

Am 21. September 1956 kam es abseits des DFB zum ersten Damenfußball-Länderspiel in Essen. Vor 18000 Zuschauern gewannen die deutschen Damen 2:0 gegen Holland. Die Medien berichteten teils objektiv, teils hämisch. So kommentierte die Neue Wochenschau 1957 das 1:1 der deutschen Damenelf gegen England: „Das Stuttgarter Neckarstadion wurde zum Tummelplatz von 22 Fußballbräuten, unermüdlich drängten sich die Insel-Damen im gegnerischen Strafraum, aber angestachelt durch echte Hausfraueninstinkte hielten die Deutschen ihr Nest sauber.“

Dem DFB waren diese Spiele suspekt. Als 1957 auch die Stadt München einen Platz zur Verfügung stellte für ein Länderspiel, schrieben die Verbandsoberen an den Oberbürgermeister: „Mit der in Frage stehenden Veranstaltung sind Sie uns im Kampf gegen den Damenfußball gleichsam in den Rücken gefallen.“

Am 2. und 3. November 1957 fand in Berlin im Poststadion sogar eine inoffizielle Damenfußball-Europameisterschaft statt. Teams aus England, Holland, Österreich und Deutschland nahmen teil. Das Berliner Spitzenspiel der Männer zwischen Tennis Borussia und Viktoria 89 musste deswegen ins Olympiastadion verlegt werden. Doch die Veranstaltung wurde sportlich wie finanziell ein Flop. Die deutschen Frauen verloren das Finale klar mit 0:4 gegen die Engländerinnen. Und die Veranstalter wurden wegen Betrugs verhaftet. Da weit weniger Zuschauer als kalkuliert zu den Spielen gekommen waren, blieb manche Rechnung unbezahlt.

Derart unseriöse Veranstalter waren allerdings die Ausnahme. Die Fußball-Leidenschaft der Frauen blieb ungebrochen und Ende der Sechzigerjahre spielten nach Schätzungen in Deutschland bereits 40000 bis 60000 Frauen und Mädchen Fußball. Im Oktober 1970, 15 Jahre nach seinem Verbotsbeschluss, beugte sich der DFB schließlich dem Druck und hob das Frauenfußball-Verbot auf.

Jürgen Nendza, Eduard Hoffmann

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