zum Hauptinhalt
Der Härteste unter den Harten. Patrick Lange gewann 2017 und 2018 den Ironman auf Hawaii. Sein Trainer Faris Al-Sultan hält einen weiteren Triumph beim wichtigsten Triathlon des Jahres allerdings eher für unwahrscheinlich.

© Thierry Deketelaere/dpa

Triathlon-Bundestrainer Faris Al-Sultan: „Ich kann auch nicht zaubern“

Triathlon-Bundestrainer Faris Al-Sultan über olympische und lange Distanzen, Verbandsarbeit und Patrick Lange beim Ironman.

Herr Al-Sultan, bei Politikern zieht man nach 100 Tagen im Amt ein erstes Fazit. Sie sind jetzt seit 100 Tagen Triathlon-Bundestrainer. Was ist denn Ihr erstes Resümee?

Ein Fazit zu ziehen, ist schwierig, ich lerne täglich dazu. Natürlich läuft es in einem Verband schon anders als in der freien Wildbahn. Bei einem Verband spielen die vielen Leute, die informiert werden müssen, eine große Rolle. Das ist anders als beim individuellen Coaching. Das hat Vor- und Nachteile: Der Vorteil ist, dass ich die entscheidenden Leute auf kurzem Weg ansprechen kann. Der Nachteil ist, dass ich viel mehr Zeit mit Abstimmung verwende.

Wie sehr können Sie Ihr Wissen überhaupt einbringen?

Im Verband ist es ja ganz wichtig, dass jeder seine Aufgabe kennt. Ich arbeite in der DTU ganz selten am Athleten, schreibe keine Trainingspläne. Ich fahre aber schon mit ins Trainingslager, etwa nach Südafrika. Da stehe ich dann auch mal am Pool und mache mir ein Bild von den Athleten, damit ich nicht nur Zahlen in einer Excel-Tabelle vor mir habe. Aber ansonsten ist es meine Aufgabe, oben drüber zu stehen und mich mit den Stützpunkttrainern abzustimmen. Da soll es zu keiner Konkurrenzsituation kommen. Ich stehe zwischen den Dingen und gleichzeitig mittendrin. Ich habe eine Liste mit 25 Athleten, die teilweise schon im Kader sind, teilweise noch nicht, und die Potenzial haben. Das gilt es zu entwickeln.

Ist das nicht eine extreme Umstellung vom individuellen Coaching, wie Sie es etwa mit Patrick Lange machen?

Bei Langdistanzlern sieht die Welt natürlich ganz anders aus. Auch bei denen agiere ich aus der Ferne, aber die zwei Langstreckler, die ich trainiere, sind über 30, machen den Sport seit Jahren. Die brauchen keine Motivation.

Ist also etwas dran an dem Vorurteil von den Sprint- und olympischen Triathleten, die ständige Betreuung brauchen?

Es gibt da schon einen Unterschied. Die DTU-Athleten sind sehr involviert in die Strukturen, man nimmt ihnen viel ab. Die müssen sehr harte Einheiten machen, brauchen deswegen ihr Trainingsumfeld mit den verschiedenen Trainern, Physiotherapeuten und Trainingskameraden viel dringender. Außerdem sind sie tendenziell jünger als Mittel- und Langstreckler und müssen sich teilweise noch selbst finden.

Sie selbst haben sich seit Ihrer Jugend auf die Ironman-Distanzen fokussiert, jetzt trainieren Sie Kurzstreckler.

Generell waren die Rennen über die olympische Distanz eher ein Abfallprodukt der Langdistanz-Vorbereitung. Ich bin zwischenzeitlich auch kurz in der Triathlon-Bundesliga auf der olympischen Distanz gestartet und habe auch mal mit der Olympia-Qualifikation geliebäugelt. Ich habe dann aber gemerkt, dass das nichts für mich ist und es sein gelassen. Im Training sind die Unterschiede aber nicht so groß, die Umfänge sind ähnlich. Ganz grob gesagt fahren die Langdistanzler nur etwas mehr Rad und die olympischen Athleten trainieren mehr Intervalle.

Apropos Olympia-Qualifikation: Wie sehen Sie den DTU-Kader für Tokio 2020 aufgestellt?

Um es mal vorweg zu sagen: Ich kann auch nicht zaubern. Wir haben das Problem, dass wir keine Athleten mit Olympiapotenzial im Hochleistungsalter von 24 bis 28 Jahren haben. Unsere Athleten sind entweder jünger oder älter oder Quereinsteiger. Uns sind auch einige abhandengekommen und etwa auf die Langdistanz gewechselt. Jetzt haben wir durchaus einige gute Athleten auf Männerseite, zum Beispiel Lasse Lührs. Da haben wir etwa vier Athleten, die es in die Top 100 der Welt schaffen. Jetzt müssen wir halt schauen, dass sie es auch alle in die Top 60 schaffen.

Faris Al-Sultan, 41, gewann 2005 den Ironman auf Hawaii. Der Münchner mit irakischen Wurzeln ist seit November Bundestrainer und zudem Coach von Ironman-Champion Patrick Lange.
Faris Al-Sultan, 41, gewann 2005 den Ironman auf Hawaii. Der Münchner mit irakischen Wurzeln ist seit November Bundestrainer und zudem Coach von Ironman-Champion Patrick Lange.

© promo

Und wen sehen Sie im Oktober bei der WM auf Hawaii auf dem Treppchen?

Patrick Nilsson, der junge Schwede, ist jemand, auf den ich seit Jahren schaue. Er hat mich in Kona enttäuscht, aber er hat das Potenzial. Interessant wird auch zu sehen sein, ob Lionel Sanders noch mal fit wird. Und dann wäre da der Überflieger Jan Frodeno. Mal schauen, ob er sich noch mal motiviert, so eine Wahnsinns-Saison hinzulegen wie in den letzten Jahren.

Jan Frodeno landete bei den letzten zwei Weltmeisterschaften nicht auf dem Treppchen, im vergangenen Jahr trat er wegen eines Ermüdungsbruchs nicht einmal an. Ihr Motto ist, „den Athleten an seine individuellen Grenzen zu führen ohne ihn dabei zu zerstören“. Wie bekommt man das hin?

Bei Frodeno habe ich mich schon zu Bundesliga-Zeiten gefragt, wie er sein Trainingspensum überhaupt übersteht. Bei mir und Patrick ist es eine Mischung aus Erfahrung und Gefühl. Es ist wichtig, unterscheiden zu können – wann ist er kaputt und müde und wann tut er so?

Hat Patrick Lange Chancen auf einen erneuten Kona-Sieg?

Wenn Patrick dort antritt, will er auch konkurrenzfähig sein. Einen dritten Sieg halte ich aber für unwahrscheinlich, weil es so schwer ist, sich noch einmal zu motivieren und gegen die angriffslustige Konkurrenz zu bestehen.

Das Gespräch führte Nantke Garrelts.

Zur Startseite