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Sport: Und plötzlich öffneten sich die Ski

Vor 20 Jahren hat der Schwede Jan Boklöv mit dem V-Stil seine Sportart revolutioniert

Oberstdorf - Jan Boklöv schweigt. Vor dem Fenster des einsam gelegenen Waldhotels in Christlsee bei Oberstdorf wandern dick eingepackte Touristen durch die sonnige Winterlandschaft, drinnen sitzt der ehemalige Skispringer – und sagt nichts. Es scheint den 42 Jahre alten Schweden nicht zu stören, dass ihn bei dieser Pressekonferenz seit einer halben Minute niemand etwas gefragt hat, er kommt zum wiederholten Male nicht auf die Idee, die Veranstaltung endlich für beendet zu erklären. Jan Boklöv ruht in sich selber, er empfindet die langen Pausen offenbar nicht als unangenehm. Wahrscheinlich benötigt man genau diese stoische Ruhe und innere Abgeschiedenheit, um ein Revolutionär zu sein.

Vor 20 Jahren hat Boklöv seine Sportart revolutioniert, weil er als erster Athlet im Weltcup mit zu einem V gespreizten Ski den Hang hinuntersegelte. Seine Technik hat anschließend die klassische Haltung der parallelen Ski abgelöst, seitdem springen alle Weltklasse-Skispringer im V-Stil. Eine Entwicklung, die Boklöv nicht vorhergesehen hat. „Ich habe es nicht für die Welt getan“, sagt der Schwede. „Ich habe es für mich getan – und die Welt ist mir gefolgt.“ Nach seinem Karriereende hat er als Kindergärtner gearbeitet, inzwischen ist er der Skisprungwelt wieder näher gerückt. Als Helfer berät er bei der Vierschanzentournee die schwedischen Skispringer.

Wie kam er eigentlich auf die Idee, im V zu springen? Es war ein Zufall. Im Sommertraining 1985 in Falun war er in einem Trainingssprung lediglich 70 Meter gesprungen. „Ich musste etwas ändern“, erzählt Boklöv. Beim nächsten Mal sprang er früher ab, drückte den Oberkörper weiter nach vorne – und plötzlich öffneten sich die Ski zu einem V. Was aber viel wichtiger war: Er landete bei 90 Metern. „Beim nächsten Sprung habe ich es wieder gemacht, und die Ski sind wieder auseinander gegangen“, sagt er, „ich konnte es aber niemanden beibringen, ich wusste ja selber nicht, wie ich es gemacht habe.“ Es dauerte noch drei Jahre, in denen er sich dreimal die Schulter brach, bis er den neuen Stil im Weltcup anwendete. Und die Fachwelt amüsierte.

Seine Sprünge wurden von den Punktrichtern zunächst mit Abzügen bestraft. Bei der Vierschanzentournee in Garmisch-Partenkirchen 1989 landete Böklov nur auf Platz zwölf, weil die Punkterichter ihm für seinen Stil nur 13 Punkte gaben. Doch in Innsbruck setzten ihn die Punkterichter auf Platz eins. „Da haben sie es langsam akzeptiert.“

Doch dieser Stil setzte sich erst langsam durch. „Eigentlich hat erst die nächste Generation mit ihren Erfolgen Druck auf die arrivierten Athleten ausgeübt“, sagt Walter Hofer, der Renndirektor des Internationalen Skiverbandes. Inzwischen weiß man, dass der V-Stil die Aerodynamik im Flug um 25 Prozent verbessert. „Das Skispringen ist durch den V-Stil erheblich sicherer geworden“, sagt Hofer, „früher hatten wir pro Springen 12 bis 15 Stürze, heute liegen sie im Promillebereich.“

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