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Sport: Verdrängen und siegen

Der Tod eines Kollegen schockte Sechstagefahrer Bartko, doch jetzt in Berlin zählt nur der Erfolg

Berlin - Robert Bartko sitzt neben seiner Koje im Fahrerlager des Berliner Sechstagerennens und will nur eins: das Thema wechseln. Um ihn herum liefern sich die Sprinter ihre Duelle, durch die Halle dröhnen Songs wie „Heidi“ und „Summer of 69“, 12 000 Zuschauer kippen Bier in sich hinein oder blasen in ihre Trillerpfeifen. „Das war ein Schock. Aber das Leben muss weitergehen. Das ist das Brutalste daran. Ich will gar nicht mehr darüber reden“, sagt der 31 Jahre alte Potsdamer. Am 25. November ist Weltmeister Isaac Galvez aus Spanien beim Sechstagerennen in Gent so schwer gestürzt, dass er auf dem Weg ins Krankenhaus an inneren Blutungen starb. Er hatte in dieser fünften Nacht auf dem zweiten Platz gelegen. Das Rennen wurde abgebrochen.

Bartko war zusammen mit dem Belgier Iljo Keisse dem Gesamtsieg nahe gewesen, doch das spielte keine Rolle mehr. „In Gent ist eine kleine Bahn, da hat man den Unfall schon mitbekommen“, erzählt Bartko. Weiter will er die Erinnerungen nicht hochkommen lassen. Ein Selbstschutz, schließlich muss er weiter mit rund 60 Stundenkilometern um die Bahn jagen. Jede Unkonzentriertheit kann zum Sturz führen. Und so tritt er in die Pedale, lacht die Fans an, winkt, egal, wie es in ihm aussehen mag.

Gent war der Tiefpunkt einer bis dahin für Bartko unbefriedigenden Sechstagesaison. In Amsterdam prellte er sich im Oktober bei einem Sturz in der letzten Nacht drei Rippen. Fünf Tage später saß er in Dortmund wieder auf dem Rad, doch die Schmerzen waren unerträglich. Nach drei Nächten gab Bartko auf. „Fünf Wochen habe ich an der Verletzung zu knabbern gehabt“, erzählt Bartko, der Weltmeister in der Einzelverfolgung. Dann folgte die Tragödie von Gent.

Ende Dezember dann wendete sich wenigstens für Bartko vieles zum Guten. In Zürich kam er mit Keisse als Zweiter ins Ziel, in Rotterdam konnte das Duo eine Woche später endlich einen Sieg feiern. In Bremen wurde Bartko Dritter, in Stuttgart Zweiter. Triumphator Bruno Risi sagte dort bei der Siegerehrung am Dienstagabend, Bartko sei „dumm“ gefahren. So könne man kein Rennen gewinnen. Der Deutsche hatte zusammen mit Guido Fulst und Leif Lampater in der letzten Jagd früh angegriffen und drei Rundengewinne in Folge herausgefahren – im Sprint sahen sie gegen die Schweizer keine Chance und setzten lieber auf den Überraschungseffekt. Am Ende hatte die Konkurrenz mehr Kraft, und Risi spottete. Die Zuschauer pfiffen, Bartko nahm den Angriff gelassen. „Die Emotionen sind nach so einer Jagd groß. Das nehme ich ihm nicht übel.“ Die beste Antwort wäre ein Sieg in Berlin, wo Bartko und Andreas Beikirch nach der ersten Nacht auf Rang drei lagen, hinter Fulst/Lampater und Pollack/Keisse.

Ein Erfolg würde Bartko, 2004 in Berlin mit Guido Fulst ganz vorne, auch für das Rennen im Vorjahr versöhnen. Sein Partner Rolf Aldag verletzte sich am Knie und kämpfte nur gegen das Aufgeben. Mehr als Platz sechs war nicht drin. Diesmal soll es auf Bartkos Heimatbahn besser laufen – von Verletzungen und Stürzen hat er für diese Saison genug.

Helen Ruwald

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