Sport: Verschollen im Eis
Die Eislauf-Union kann nicht erklären, wo die Einnahmen früherer Tage sind
Dieter Hillebrand lehnte sich zurück und ließ seine Kollegen entscheiden. Es ging um eine heikle Sache. Der Präsident der Deutschen Eislauf-Union (DEU) hatte eine Bitte an das Präsidium des Bayerischen Eissportverbands. Der Präsident der DEU heißt Dieter Hillebrand, der Präsident des Bayerischen Eissportverbands auch. Hillebrand konnte schlecht in eigener Sache mitentscheiden. Die DEU zog in eine Etage der Zentrale des Bayerischen Verbands in München und musste neue Kabel legen. Das kostete 8000 Euro, so etwas muss der neue Mieter erledigen. Aber die DEU hatte das Geld nicht, also bat der DEU-Chef Hillebrand als Mieter den Vermieter, ob der das alles bezahlen könne. Hillebrand fragte also seine Präsidiumskollegen. Die stimmten zu, Hillebrand selbst enthielt sich.
Hillebrand hatte sich da, im Herbst 2006, längst abgewöhnt, sich über die DEU zu wundern. Er kam am 22. Juni bei einem turbulenten Verbandstag ins Amt. Das alte Präsidium wurde abgewählt und nicht entlastet, schon da war die finanzielle Situation dramatisch. Aber niemand hatte Hillebrand gewarnt: „Wenn ich gewusst hätte, welche Tiefschläge auf einen zukommen, hätte ich das nicht gemacht.“ Auch sein Vizepräsident Uwe Hanos kam neu ins Amt, auch der erlebte „an jedem Tag neue Überraschungen“. Ihre erste Aufgabe sei gewesen, „den Konkurs der DEU vermeiden“, sagt Hillebrand.
Doch der droht jetzt wieder, jedenfalls, wenn die ARD keinen neuen Fernsehvertrag abschließt. Der alte endete am 31. Dezember, damit brechen der DEU nicht nur jährlich 125 000 Euro weg, sondern auch Sponsoreneinnahmen. „Ohne die 125 000 Euro gehen die Lichter aus“, sagt Hillebrand. „Mit unseren Eigenmitteln halten wir noch bis 31. August 2008 durch, dann ist Schluss“, sagt Schatzmeister Johannes Wehr, auch neu im Amt.
Innerhalb weniger Jahre ist die DEU vom solventen Verband zum Sanierungsfall geworden. Nach der Junioren-WM 2000 blieben noch 600 000 Mark Reingewinn in der DEU-Kasse, nach der WM in Dortmund 750 000 Euro. Eigentlich müsste die DEU ein reicher Verband sein. Eigentlich. „Aber als wir antraten, haben wir ein Minus von 250 000 Euro vorgefunden“, sagt Hillebrand.
In höchster Not verkaufte die DEU das Haus, in dem sich die Geschäftsstelle befand. Das brachte rund 400 000 Euro, aber damit wurden vor allem Schulden und Steuern beglichen. Den Rest benötigt die DEU für ihren laufenden Betrieb. Fragt sich nur, wohin das ganze Geld geflossen ist. Vizepräsident Hanos sagt: „Das alte Präsidium hatte von Wirtschaften keine Ahnung.“ Die Geschäftsstelle war üppig besetzt, Veranstaltungen machten Minus, der laufende Betrieb war offenbar kostspielig. Hillebrand sagt, dass jetzt für einen Steuerberater 85 Prozent weniger ausgegeben würde als früher. Aber genaue Erklärungen für den Verlust großer Summen sind das nicht. „Schon mit dem Gewinn der WM in Dortmund wurden Altlasten bezahlt“, sagt Hillebrand. Woher die kommen, wisse er nicht. „Wir haben die früheren Jahre nicht untersucht.“ Vom alten Präsidium war gestern niemand zu erreichen.
Hillebrand, Hanos und der neue Schatzmeister Wehr haben das Jahr 2006 neu gebucht. Schon früher wurde offenbar nicht gerade optimal gearbeitet. „Die Bilanzen von 2002 bis 2005 wurden erst Ende 2005 in einer Nacht- und Nebelaktion erstellt“, sagt Hanos. Für die Jahre 2002 bis 2005 wurde das jeweilige Präsidium der DEU von den Delegierten nicht entlastet.
Jetzt wird gespart. Noch hat die Geschäftsstelle drei hauptamtliche Mitarbeiter. „Aber wir müssen im personellen Bereich etwas tun“, kündigt Schatzmeister Wehr an. Das Tagesgeld für die Preisrichter wird von 30 auf 15 Euro reduziert.
Aber es gibt Grenzen. Die Installation der Lampen in der neuen Geschäftsstelle musste die DEU selber bezahlen. „Wenn ich den Bayerischen Eissportverband auch noch darum gebeten hätte“, sagt Hillebrand, der Vermieter, „hätte ich das bei meinen Kollegen nie durchgekriegt.“