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Sport: Vettel im Irrgarten

So schnell ändern sich die Zeiten. Einst war die Gefahr der natürliche Feind der Autorennszene, der Tod saß immer mit im Cockpit.

Von Christian Hönicke

So schnell ändern sich die Zeiten. Einst war die Gefahr der natürliche Feind der Autorennszene, der Tod saß immer mit im Cockpit. Doch weil die Großen Preise glücklicherweise immer sicherer geworden sind, hat sich die Formel 1 einen neuen größten Gegner gesucht: die Langeweile. Seit Michael Schumacher und Ferrari Anfang des Jahrtausends eine nicht enden wollende Siegesserie hinlegten, fürchtet vor allem Chefvermarkter Bernie Ecclestone nichts mehr als eine neuerliche Epoche quälender Dominanz. Nach zwei Siegen zu Beginn der Saison drohte Sebastian Vettel im Red Bull tatsächlich, seinem Vorbild auch in dieser Hinsicht nachzueifern. Doch die Szene kann erst einmal aufatmen: In Schanghai endete der Siegeslauf des Deutschen.

Zwar bietet die Kombination Vettel/Red Bull in der Tat alle Voraussetzungen zu einer Alleinherrschaft wie zu Schumachers besten Zeiten; die Überlegenheit in der Qualifikation belegt das eindrucksvoll. In den Rennen aber schrumpft dieser Vorsprung regelmäßig zusammen – auch dank der Neuerungen, die sich als eine Art Langeweile-Schutzschild erweisen.

Vor allem die sich schneller und kaum vorhersehbar abnutzenden Reifen haben die Rennabläufe komplett verändert. Statt der einen richtigen Strategie gibt es nun ein systematisches Taktikchaos, das mit Unterstützung des verstellbaren Heckflügels zu einem Boom an Überholmanövern geführt hat. Aus einem langweiligen Autokorso, bei dem nur der Start und ein Boxenstopp Aufregung versprachen, ist ein konfuser italienischer Kreisverkehr geworden, in dem auch die Teilnehmer schon mal den Überblick verlieren. Und wer sich in diesem Strategieirrgarten verfährt, fällt gleich zurück wie Vettel, der in China auf seinen abgefahrenen Reifen am Ende chancenlos gegen Lewis Hamilton war.

Die Basis für Perfektion in der Formel 1 ist deutlich schmaler geworden und die Chance für Überraschungen höher. Das ist zwar nicht unbedingt eine gute Nachricht für Sebastian Vettel. Doch es ist eine gute Nachricht für die Formel 1 im Kampf gegen die Langeweile.

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