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Hand drauf. Die Hoffnungen beim VfB Stuttgart ruhen auf Thomas Hitzlsperger (rechts). Denn Präsident Wolfgang Dietrich hat beim Anhang viel Kredit verspielt.

© Sebastian Gollnow/dpa

VfB Stuttgart: Alle Augen auf Hitzlsperger: Auf der Suche nach einer Identität

Der VfB Stuttgart braucht im Kampf um den Klassenverbleib am Sonntag einen Sieg gegen Hannover. Doch der Klub hat derzeit noch viel mehr Baustellen.

Er nahm kein Blatt vor den Mund. Bei der Veranstaltung „VfB im Dialog“ im Museum eines großen Stuttgarter Autoherstellers sprach Thomas Hitzlsperger das aus, was viele Fans vermutlich schon seit Monaten, wenn nicht sogar seit Jahren denken. „Einige Klubs haben uns voraus, dass sie sehr klar darin sind, welche Spieler und Trainer sie holen“, sagte Hitzlsperger am Donnerstag. „Wenn wir darüber Bescheid wissen, wie wir Fußball spielen wollen, welche Anforderungsprofile die Trainer brauchen, dann tun wir uns leichter in der Auswahl.“ Zuletzt sei es beim VfB aber immer nach einem anderen Muster abgelaufen: „Wir holen einen Trainer, der nimmt sein Trainerteam mit, der wünscht sich ein paar Spieler und wenn der Trainer weg ist, ist der halbe Kader für den neuen Trainer wieder uninteressant.“

Die aktuelle Mannschaft des VfB ist schlecht zusammengestellt, das sagt Hitzlsperger zwischen den Zeilen. Zumal sie sich eigentlich ganz anderen Aufgaben widmen sollte. Die Rückrunde der letzten Saison schlossen die Schwaben mit 34 Punkten auf Platz zwei ab, insgesamt reichte es am Saisonende für den siebten Platz. Der damalige Trainer Tayfun Korkut, auf dessen Verpflichtung viele VfB-Fans mit Hohn, Spott und Galgenhumor reagiert hatten, galt plötzlich als Heilsbringer und Wegbereiter für die Rückkehr nach Europa, die das Umfeld des Klubs als Messlatte für eine erfolgreiche Saison 2018/19 festlegte.

Markus Weinzierl arbeitet nur noch auf Bewährung

Rund 35 Millionen Euro gab der mittlerweile wieder entlassene Michael Reschke deshalb im Sommer aus. Allein 17,5 Millionen Euro wurden für Pablo Maffeo (neun Millionen) und Borna Sosa (achteinhalb Millionen) fällig. Beide kommen bislang auf 16 Einsätze in der Bundesliga – zusammen. Aufgrund solcher Fehleinkäufe geht es beim VfB deshalb derzeit auch nicht nur um das Sportliche, obwohl mit dem Heimspiel gegen Hannover 96 an diesem Sonntag (15.30 Uhr/Sky) eine enorm wichtige Partie im Kampf um den Klassenverbleib ansteht. Es geht viel mehr um die große Frage: Wofür steht der VfB denn nun eigentlich?

Markus Weinzierl arbeitet jedenfalls nur noch auf Bewährung, die Partie gegen Hannover könnte die letzte seiner Stuttgarter Amtszeit sein. In den bisherigen 16 Spielen holte das Team 0,65 Punkte pro Partie, ein katastrophaler Wert. Hitzlsperger vermied am Donnerstag ein klares Statement zum Trainer, attestierte aber zumindest eine „gute Tendenz“. Beim 1:3 gegen Leipzig vor zwei Wochen spielte der VfB lange gut mit, in Bremen erkämpfte sich das Team einen Punkt. Es sind die kleinen Dinge, an denen sie sich in Stuttgart derzeit festklammern.

Sein letztes Spiel? Markus Weinzierl steht unter Dauerdruck.
Sein letztes Spiel? Markus Weinzierl steht unter Dauerdruck.

© Herbert Rudel/Imago

Gegen Hannover muss der VfB gewinnen. „Wir müssen liefern. Das ist die Aufgabe“, sagte Weinzierl am Freitag. Auch er stützt sich auf die über weite Strecken positiven Eindrücke der vergangenen zwei Partien: „Hannover hat, bei allem Respekt, nicht die Qualität von Leipzig. Wenn wir die gleiche Leistung abrufen können wie gegen RB oder wie in Bremen, dann haben wir alle Chancen zu gewinnen.“

Doch beim VfB gibt es noch mehr Baustellen: etwa die Suche nach dem Sportdirektor, den der VfB seit dreieinhalb Jahren nicht hat. „Ich suche einen Sportdirektor, der den Nachweis erbracht hat, Kader planen zu können. Der auch mal den Kader durchgeht und sagt, wie man ihm eine neue Struktur geben kann“, sagt Hitzlsperger. Der 36-Jährige betonte, er sei „erstaunt, wie viele kompetente Leute sich bei mir gemeldet haben, die sich für den VfB interessieren“. Die Suche werde noch ein paar Wochen dauern, der neue Mann soll aber dennoch im Idealfall vor Saisonende präsentiert werden.

Personalie Wolfgang Dietrich spaltet Klub und Fans

Die größten Reibungen zwischen Klub und Fans gibt es derzeit aber in der Personalie Wolfgang Dietrich. Der Präsident des VfB steht in der Kritik, weil er die Ausgliederung des Klubs in eine Kapitalgesellschaft vorangetrieben hatte. Außerdem wird ihm eine zu große Einmischung ins operative Geschäft vorgeworfen. Auch die Entlassung von Jan Schindelmeiser, dem ehemaligen Sportvorstand, die Dietrich kaum begründete, ließ den Rückhalt des Präsidenten bei den Fans schwinden.

Die Anhänger protestierten vor dem letzten Heimspiel gegen Leipzig erneut lautstark, gingen mit einem Banner mit der Aufschrift „Stuttgart kämpfen. Dietrich raus“ zum Stadion. „VfB Stuttgart, das sind wir“, skandierten die Fans dabei. Im Stadion zeigten sie Spruchbänder mit den Aufschriften: „Dietrich: Du hast hervorragende Rahmenbedingungen geschaffen, um zum dritten Mal abzusteigen“. Oder: „Wie viele Bauernopfer braucht es noch, bis der Sonnenkönig endlich geht?“ Eine Anspielung auf die Entlassung des Sportvorstands Michael Reschke.

Inmitten all dieser Diskussionen und Fragen steht Thomas Hitzlsperger. Seine Berufung zum neuen Sportvorstand wurde in Stuttgart wohlwollend aufgenommen. Auch wegen der klaren Aussagen, die der ehemalige Nationalspieler trifft. Sollte der VfB gegen Hannover nicht gewinnen oder gar verlieren, müsste er diesen Worten wohl auch Taten folgen lassen. Dann könnte für Hitzlsperger ihn die erste Trainerentlassung anstehen.

Louis Richter

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