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Früher stand Oskar Kosche bei Union im Tor, seit einigen Jahren ist er Präsidiumsmitglied.

© Contrast/Imago

Virtuelle Mitgliederversammlung: Corona wirft 1. FC Union bilanziell um zehn Jahre zurück

Zum ersten Mal seit 2008 schließt der 1. FC Union ein Geschäftsjahr negativ ab. Durch die Pandemie brachen Einnahmen in Höhe von 12,4 Millionen Euro weg.

Bei den Mitgliederversammlungen des 1. FC Union gab es in der jüngeren Vergangenheit stets einige Konstanten: Es ging sportlich sowie wirtschaftlich aufwärts und auf dem Podium stand Dirk Zingler. Am Mittwochabend fehlte der Präsident aus „dringenden persönlichen Gründen“ und auch sonst war vieles anders. Eigentlich hätte die Mitgliederversammlung schon im vergangenen Herbst stattfinden sollen, wurde jedoch in der Hoffnung verlegt, diese später in Präsenz nachholen zu können.

Da dies in absehbarer Zeit nicht möglich war, entschied sich der Verein für die erste virtuelle Mitgliederversammlung. Feierliche Ehrungen fielen dabei ebenso aus wie der traditionelle Besuch der Profimannschaft. Anträge zu Satzungsänderungen wurden nicht zugelassen, weil diese nach Ansicht des Präsidiums bei einer virtuellen Sitzung nicht effektiv diskutiert werden können. So beschränkte sich die Tagesordnung auf das Unverzichtbare. Die fehlende Nähe zwischen Fans und Klub war am Mittwoch genauso spürbar wie bei jedem Heimspiel.

Zumindest die sportliche Bilanz war durchgehend positiv. Das erste Jahr in der Bundesliga hat Union letztlich souverän absolviert und nach einer überragenden Hinrunde steht das Team momentan mit 28 Punkten auf Platz acht. Doch wie die gesamte Fußballbranche hat die Coronavirus-Pandemie auch den Berliner Bundesligisten wirtschaftlich weit zurückgeworfen. „Bilanziell betrachtet ist die Arbeit von zehn Jahren innerhalb von dreieinhalb Monaten vernichtet worden“, sagte Präsidiumsmitglied Oskar Kosche in einer Medienrunde am Mittwoch.

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Nachdem Union das negative Eigenkapital von 2009 bis 2019 sukzessive von 16,1 Millionen Euro auf neun Millionen abbauen konnte, stieg der Wert in der vergangenen Saison auf 17 Millionen Euro. Als der Verein 2008 zum letzten Mal ein negatives Geschäftsergebnis präsentieren musste, spielte er noch in der Regionalliga. Allerdings ist die wirtschaftliche Situation trotz der gestiegenen Schulden nicht mit den turbulenten Nullerjahren vergleichbar. Denn mittlerweile hat sich der Umsatz des Vereins vervielfacht und auch infrastrukturell befindet sich Union auf einem ganz anderen Niveau.

Dennoch haben die pandemiebedingten Einschränkungen den Klub hart getroffen. Von März bis Ende Dezember sind Einnahmen in Höhe von 12,4 Millionen Euro weggebrochen. Vor allem der Zuschauerausschluss trifft den Verein hart, aber auch der Wegfall von fußballfremden Veranstaltungen im Stadion sowie die Reduzierung des Fernsehgeldes. Das konnte durch Kurzarbeit in vielen Abteilungen, eine zwischenzeitliche Gehaltsreduzierung der Profis und den Verzicht auf Rückerstattungen durch Fans sowie Sponsoren teilweise aufgefangen werden. „Ohne die Solidarität aller Beteiligten wäre es für uns nicht möglich gewesen, diese Pandemie bis jetzt zu überstehen“, sagte Kosche.

Verbindlichkeiten steigen auf 63,4 Millionen Euro

Dennoch sind die Zahlen deutlich im roten Bereich. Zwar nahm der Verein in der ersten Spielzeit in der Bundesliga so viel ein wie nie zuvor (70,4 Millionen Euro), gab aber mit 77,8 Millionen Euro ebenfalls eine Rekordsumme aus. Dadurch erhöht sich nicht nur das negative Eigenkapital, auch die Verbindlichkeiten stiegen von 44,4 auf 63,4 Millionen Euro. Existenzbedrohlich für den Verein sei die Situation aber nicht, sagte Kosche. Denn im Gegensatz zu so manchem Konkurrenten ist der 1. FC Union immer noch im Besitz seiner Catering- sowie Merchandisingrechte und verfügt über ein eigenes Stadion. Mit dem Verkauf dieser stillen Reserven könnte ein dreistelliger Millionenbetrag erlöst werden, schätzt Kosche.

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Für die laufende Saison plant Union mit Einnahmen und Ausgaben in Höhe von etwas mehr als 77 Millionen Euro. Dabei geht der Klub bis zum Saisonende von Spielen ohne Zuschauer aus, muss sich angesichts einer fast schon erreichten Kalkulation von 36 Punkten aber auf eine Steigerung der Erfolgsprämien für die Profimannschaft einstellen.

Damit wird das Präsidium um Zingler und Kosche leben können, denn höchste Maßgabe ist trotz aller pandemiebedingten Herausforderungen die Steigerung der sportlichen Wettbewerbsfähigkeit und die dauerhafte Etablierung in der Bundesliga. Dafür soll weiter in die Profimannschaft investiert werden, und letztlich ist auch der geplante Stadionausbau ein Schritt auf diesem Weg. Bis tatsächlich 37.000 Zuschauer die Spiele verfolgen können, wird es allerdings noch mehr als zwei Jahre dauern. Auf das Baurecht hofft Union nun im Sommer 2022, die Arbeiten würden mindestens ein weiteres Jahr in Anspruch nehmen. Eigentlich wollte der Verein schon im vergangenen Jahr im ausgebauten Stadion spielen, doch Probleme mit dem Verkehrskonzept haben diese Planungen deutlich verzögert. Immerhin soll die Pandemie keine Auswirkungen auf den Stadionausbau haben.

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