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Rafael Nadal ist bei den US Open in New York überraschend im Achtelfinale gescheitert.

© Mike Stobe/Getty Images/AFP

Update

Aus im Achtelfinale der US Open: Götterdämmerung für Rafael Nadal

Gegen den US-Amerikaner Frances Tiafoe sieht Rafael Nadal phasenweise ziemlich alt aus. Wieder einmal stellt sich nun die Frage nach der Tenniszukunft des Spaniers.

Für Rafael Nadal war 2022 ein ganz normales Tennis-Jahr. Er gewann zwei Grand-Slam-Turniere, so wie schon fünfmal zuvor in seiner Karriere. Insgesamt steht er nun bei 22 großen Titeln – mehr hat kein anderer. Aber zum 36 Jahre alten Spanier gehören nicht nur sportliche Topleistungen, sondern auch seine schier endlose Krankenakte.

In dieser Hinsicht gab es in diesem Jahr neben den chronischen Fußproblemen auch mal ein bisschen Abwechslung. Im März zog sich Nadal einen Rippenbruch zu, in Wimbledon später einen Riss im Bauchmuskel und bei den US Open in New York fehlte nicht viel und er hätte sich auch noch die Nase gebrochen. In seinem Zweitrundenmatch sprang ihm sein eigener Schläger ins Gesicht und sorgte für eine blutende Wunde. Immerhin darüber konnte der Mallorquiner anschließend lachen.

Weniger amüsant war für ihn das Achtelfinal-Aus am späten Montagabend gegen Frances Tiafoe. Der 24 Jahre alte US-Amerikaner spielte beim 6:4, 4:6, 6:4 und 6:3 das Match seines Lebens und ließ Nadal ziemlich alt aussehen. „Im Tennis muss man sehr schnell und sehr jung sein – und das bin ich im Moment nicht“, sagte der Spanier später.

Es erscheint wenig realistisch, dass Nadal in naher Zukunft noch einmal deutlich jünger wird, wobei das bei ihm zumindest in sportlicher Hinsicht nie völlig auszuschließen ist. Dazu liegen einfach zu viele Comebacks hinter ihm, mit denen vorher kaum einer gerechnet hatte. Erst im Vorjahr verpasste er die komplette zweite Saisonhälfte, nur um dann im Januar sensationell die Australian Open zu gewinnen.

Wenn ich fühle, dass ich bereit für den Wettbewerb bin, dann werde ich da sein.

Rafael Nadal zu seiner Tenniszukunft

Nun befindet sich Nadal inzwischen in einem Alter, in dem jede Niederlage zwangsläufig Fragen nach seiner Zukunft aufwirft. Auch in New York war das nicht anders. Und so sprach Nadal einen Satz, den er in ähnlicher Form schon häufiger von sich gegeben hat, wenn er gefragt worden ist, wie es mit ihm nun weitergeht: „Wenn ich fühle, dass ich bereit für den Wettbewerb bin, dann werde ich da sein.“

Zunächst gibt es für ihn ohnehin andere Prioritäten. „Ich habe mich um sehr viel wichtigere Dinge zu kümmern als Tennis. Jetzt ist der Moment, meinen ersten Sohn zu bekommen und darauf zu hoffen, dass alles gut wird.“ Seine Frau Xisca Perelló ist hochschwanger, das Kind wird bald zur Welt kommen.

Ein letzter Gruß. Rafael Nadal verabschiedet sich vom New Yorker Publikum.
Ein letzter Gruß. Rafael Nadal verabschiedet sich vom New Yorker Publikum.

© REUTERS / Robert Deutsch

Theoretisch steht in rund zwei Wochen der Laver Cup in London in Nadals Terminplan. Dort könnte es zu einem historischen Auftritt der vier größten Tennisspieler dieses Jahrhunderts kommen. Roger Federer, Novak Djokovic, Andy Murray und eben Nadal stehen im vorläufigen Aufgebot für Team Europa – zusammen holte das Legendenquartett seit 2003 66 von 80 Grand-Slam-Titeln und stand 933 Wochen an der Spitze der Weltrangliste.

Es dürfte das letzte Mal sein, dass die Superstars der vergangenen Jahre gemeinsam auftreten, schon länger wird gemunkelt, dass der zuletzt lange verletzte Federer einige Wochen später beim Heimturnier in Basel seinen Rücktritt tatsächlich auch vollziehen könnte. Wenn Nadal, bekannterweise ein guter Freund des Schweizers, davon weiß, hat er es bisher geheim gehalten. Zuletzt sagte er dazu nur: „Ich freue mich schon extrem darauf, Roger wieder spielen zu sehen.“

Schon vor seinem Endspiel bei den French Open gab es Rücktrittsgerüchte

Nadal selbst vermied nach seinen Siegen in Melbourne oder Paris in diesem Jahr das klare Bekenntnis, die Titel im kommenden Jahr auch verteidigen zu wollen. Als er im Juni zum 14. Mal den Sandplatzklassiker von Roland Garros gewann, machte vor dem Endspiel das Gerücht die Runde, der Spanier würde seine Karriere im Erfolgsfalle womöglich beenden. Die Spannung bei der Siegerrede war deswegen beinahe größer als die zuvor im einseitigen Finale. Aber Nadal ließ sich nicht hinreißen, zumal er immer noch mehr als nur mithalten kann.

Gedanken macht er sich dennoch. Sein Körper fordert in immer kürzeren Abständen Tribut ein. Während andere Profis sich zwischen zwei Saisonhöhepunkten erholen, arbeitet Nadal in Dauerschleife daran, nach einer Verletzung wieder fit zu werden.Bisher hat er das oft genug irgendwie geschafft und ist anschließend konkurrenzfähig auf den Tennisplatz zurückgekehrt.

Ob das diesmal auch der Fall ist? Die Bilder aus dem Arthur-Ashe-Stadium vom Montag lassen zumindest Zweifel daran aufkommen. Nadal wirkte wenig explosiv, lief den gewaltigen Schlägen von Tiafoe oft nur hinterher und konnte kaum einmal selbst das Spiel diktieren. Dazu hat er nach der Bauchmuskelverletzung seine Aufschlagbewegung verändert, was den Körper schont, aber auch viele Doppelfehler zur Folge hat.

Nadal hat sich in seiner Karriere immer wieder neu erfunden, hat sein Tennis den Herausforderungen angepasst und mit seinen unglaublichen Kämpferqualitäten viele Gegner einfach zermürbt. Er hat stets betont, was ihm sein Sport bedeutet und wie gern er auch mit Mitte 30 immer noch Tennis spielt.

Endlos wird es so aber nicht weitergehen. Nadal weiß das, aber noch tragen ihn der Siegeswille und die Gewissheit, in Bestform immer noch jeden Gegner schlagen zu können. Der Aufwand, diese Verfassung zu erreichen, wird für ihn allerdings beständig größer und es stellt sich ihm irgendwann unweigerlich die Frage, ob er sich die ganze Quälerei noch länger antun muss.

So erscheint es in diesem September 2022 durchaus möglich, dass ein Rafael Nadal gerade seine letzten US Open bestritten haben könnte. Hinter ihm liegt eine grandiose Grand-Slam-Saison, mit vielen gesundheitlichen Problemen zwischen den Highlights.

Ob weitere folgen ist diesmal vielleicht so fraglich wie noch nie.

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