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Begehrter denn je. Autogramme von Patrick Wiencek (l.) und Co.

© S. Stache/dpa

Deutscher Handball-Bund: Vorbereitet auf den Boom

Der DHB will die erfolgreiche Weltmeisterschaft dieses Mal besser nutzen als 2007. "Sport funktioniert über Identifikation", erklärt Vize Bob Hanning.

Henriette Reker hat sich in dieser Woche für einen Moment sehr unbeliebt gemacht. Kölns Oberbürgermeisterin besuchte ein Spiel der Handball-Weltmeisterschaft in ihrer Heimatstadt, im Halbzeit-Interview wollte sie ein paar warme Worte sagen – und bedankte sich fälschlicherweise beim Deutschen Fußball-Bund. Ein kleiner Versprecher, nichts Böses, der Hallensprecher versuchte noch, die Situation irgendwie zu retten. Er hatte keine Chance. Die Zuschauer pfiffen gnadenlos.

Mittlerweile dürfte sich überall herumgesprochen haben, welches Team in diesen kalten Januartagen viele Menschen vor den Fernseher und in die Arenen zieht: das der deutschen Handball-Nationalmannschaft. Im Durchschnitt verfolgten zehn Millionen TV-Zuschauer die Auftritte des WM-Gastgebers, beim spannenden 22:21-Sieg gegen Kroatien waren es in der Spitze 13 Millionen. Auch das nächste Spiel findet zur besten Sendezeit statt: Am Freitag geht es in Hamburg gegen Norwegen (20.30 Uhr/live in der ARD) um den Einzug in das Finale.

Hanning: "Wir sind jetzt dort, wo wir hinwollten"

Die Besucherzahlen in den Hallen stimmen ebenfalls: Schon vor den Halbfinals und dem Endspiel am Sonntag im dänischen Herning wurde der bisherige WM-Rekord (750 000 verkaufte Tickets) geknackt. Er stammte aus dem Jahr 2007, von der letzten WM in Deutschland. Nun waren bereits 837.000 Zuschauer in den Hallen. „Wir sind jetzt dort, wo wir hinwollten“, sagt Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB).

Das gilt auch rein sportlich: Für den DHB ist das Erreichen des Halbfinals ein großer Erfolg, zuletzt stand die Nationalmannschaft eben 2007 bei einer WM unter den besten vier Teams, der Ausgang ist hinlänglich bekannt. Deutschland holte daheim den Titel, bei der Siegerehrung klebten sich alle Heiner-Brand-Bärte unter die Nase – eine Hommage an den Bundestrainer auf seinem Höhepunkt. Der große Boom blieb danach allerdings aus, es folgten sogar ziemlich finstere Jahre: 2012 verpasste die Nationalmannschaft zum ersten Mal die Olympia-Teilnahme. Sie gehörte nicht mehr zur Weltspitze, ihr gingen die Gesichter verloren, es fehlte an Nachwuchs.

Diesmal wähnen sie sich in der Führungsspitze besser vorbereitet für das, was womöglich noch kommt. Der DHB sei viel professioneller aufgestellt als damals, sagt Hanning, deshalb könne man 2007 und 2019 nicht miteinander vergleichen: „Viele Positionen, die früher ehrenamtlich waren, sind heute selbstverständlich hauptamtlich. Wir haben 40 Prozent mehr Personal.“ Im Dezember verschickte der Verband eine Mitteilung, wonach sich die Mitgliederzahl erstmals seit 2009 wieder leicht erhöht hat, sie liegt aktuell bei knapp 760 000. „Wir haben jetzt eine gute Chance, die müssen wir nutzen“, sagt Hanning. Ein Drittel der WM-Einnahmen soll in den sportlichen Bereich fließen, mit zwei Dritteln will der Verband in Schulen und Kindergärten gehen. „Das ist eine Sache der Landesverbände, die wir sehr konsequent verfolgen werden“, betont Hanning.

Im Gegensatz zu 2007 ist auch die mediale Präsenz der Sportart und der Nationalmannschaft bis auf weiteres gesichert: sämtliche Turniere bis 2025 finden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen statt, entsprechende Verträge sind vor wenigen Monaten unterschrieben worden. Bis vor Kurzem gab es vor allem bei der Vergabe der TV-Rechte für Weltmeisterschaften immer wieder Probleme. Bei der vergangenen WM 2017 in Frankreich etwa stellte ein Sponsor des DHB in letzter Sekunde einen Internet-Stream zur Verfügung, andernfalls hätte es in Deutschland keine Bewegtbilder vom Turnier gegeben. Nach dem großen Erfolg bei der EM 2016, der im Öffentlich-Rechtlichen zu sehen war, bedeutete das einen gewaltiger Rückschritt.

Gute Altersstruktur im Team

„Sport funktioniert über Identifikation“, sagt Hanning. „Deshalb geht es jetzt darum, Gesichter zu kreieren, die den Handball in den nächsten zehn Jahren repräsentieren.“ Bei einem Blick auf die Altersstruktur und das Talent im deutschen Kader müssen sie sich diesbezüglich eigentlich keine Sorgen machen beim DHB: Die meisten Spieler aus dem aktuellen Kader haben den Höhepunkt ihrer sportlichen Schaffenskraft noch nicht erreicht, nur vier sind älter als 30 Jahre – noch so ein zentraler Unterschied zum Team von 2007.

Gerade die jungen Spieler genießen dieser Tage den Rummel. Bei den drei Hauptrundenspielen in Köln ließen sich die meisten von ihnen nach den obligatorischen Pflichten – Spiel, Pressekonferenz, Mixed Zone – zu später Stunde noch einmal in der Halle sehen und schrieben lange nach Abpfiff fleißig Autogramme. Es ist wahrscheinlich die beste Werbung, die sie für ihren Sport betreiben können.

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