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Muss nicht mehr. Kann es aber immer noch besser als alle anderen.

© Ben Stansall/AFP

Zum sechsten Mal Snooker-Weltmeister: Warum 2020 für Ronnie O'Sullivan ein gutes Jahr war

Er ist gleichermaßen launisch wie genial. Und immer für eine Überraschung gut. Bei der WM im August zeigte Ronnie O'Sullivan sein ganzes Repertoire.

Das Jahr 2020 war ein Jahr voller schlechter Nachrichten, eine Belastung in vielerlei Hinsicht. Aber es gibt auch Menschen, die dieses Jahr in positiver Erinnerung behalten werden. So wie Ronnie O'Sullivan, der 2020 unter besonderen Umständen zum sechsten Mal Snooker-Weltmeister wurde.

Nach seinem spektakulärsten Sieg in diesem Jahr war Ronnie O'Sullivan erst einmal frustriert. „Ich habe keine Queue-Action, ich habe keine Konstanz in mein Spiel reinbekommen“, haderte der Engländer nach seinem dramatischen 17:16-Erfolg im Halbfinale der Snooker-Weltmeisterschaft im Sommer in Sheffield. Gegen Mark Selby hatte er damals 14:16 zurücklegen und angefangen, die Kugeln wild durcheinander zu schießen. Die Niederlage schien unvermeidlich, der Spaß sich auf ein endloses Sicherheitsspiel einzulassen, tendierte bei O’Sullivan gegen null.

So kennen und lieben ihn die Fans, zuweilen verzweifeln sie auch an ihm. Schiere Brillanz und offensichtliche Lustlosigkeit können sich beim inzwischen 45 Jahre alten Superstar seiner Zunft binnen kürzester Zeit abwechseln. Doch an jenem 14. August war das Glück auf seiner Seite. Wiederholt legten sich die Kugeln wie an einer unsichtbaren Schnur geführt so auf den Tisch, dass O'Sullivan ein unverhofftes Comeback gelang, er sich zwei Tage später auch im Finale gegen Kyren Wilson durchsetzte und damit zum sechsten Male Weltmeister wurde.

Im Snooker hat sich in den vergangenen Jahren viel getan, die Billardvariante ist globaler geworden – auch was die Turniere angeht, die nicht mehr nur auf den britischen Inseln stattfinden. Das hat zu einer gewissen Beliebigkeit geführt, im Mutterland des Spiels ist das Interesse seit Jahren rückläufig. Es sei denn, Ronnie O’Sullivan spielt. Dem übertragenden Sender BBC Four bescherte die entscheidende Session im WM-Halbfinale gegen Mark Selby die höchste jemals gemessene Einschaltquote.

Dass O’Sullivan bei der WM so auftrumpfte, hing in gewisser Weise auch mit dem Coronavirus zusammen. Denn das traditionsreiche Turnier im Crucible Theatre von Sheffield musste nach anfänglich noch zugelassenen Zuschauern, schließlich doch ohne Fans stattfinden.

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Nachdem die Entscheidung verkündet wurde, stieg O’Sullivan vom Teilnehmer zum Favoriten auf. „Für ihn fühlt sich das jetzt ein bisschen wie Training an“, sagte der Weltranglistenzweite Neil Robertson aus Australien, denn: „Die Erwartungshaltung des Publikums ist bei ihm immer sehr hoch. Jetzt kann er viel entspannter an die Sache herangehen und das dürfte ihm gut tun.“

O’Sullivan hatte sich zuvor kritisch über die ursprünglich geplante Zulassung von Zuschauern in Pandemie-Zeiten geäußert und den Vergleich mit „Laborratten“ bemüht. Er hielt sich sogar einen möglichen Rückzug offen, ehe ihn die Aktualität durchaus in seinem Sinne überholte. „Ich bevorzuge das, weil ich nicht so der gesellige Typ bin“, meinte er zur Regierungsverfügung, dass die WM ohne Fans weitergehen müsse. Und dann startete er durch. Im Finale durften zwar wieder einige Besucher dabei sein, aber da schwebte O’Sullivan schon in seinen eigenen Sphären, die nur er im Snooker zu erreichen vermag.

„Meine Gedanken können mal hier und mal da sein. Aber sobald ich Geschmack an etwas gefunden habe, will ich auch für mich selbst wissen, ob ich es noch draufhabe. Dann versuche ich es und es kann plötzlich laufen – so wie bei der WM“, erzählte er kürzlich der BBC. Die hatte ihn für die Wahl als Sportpersönlichkeit des Jahres in Großbritannien nominiert, eine Ehre, die seit 1990 keinem Snookerspieler mehr zuteil geworden war. Am Ende gewann zwar Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton, aber O’Sullivan hat seiner Sportart einmal mehr einen großen Dienst erwiesen.

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