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Martin Hiden: ''Warum sollen wir nicht Europameister werden?''

Österreichs Nationalspieler Martin Hiden über die EM im eigenen Land, die Kritik an seinem Team und das Vorbild Deutschland.

Herr Hiden, in Österreichs Nationalmannschaft sind Sie ein ganz besonderer Fall, das wissen Sie, oder?

Weil ich der älteste Spieler bin?

Sie sind der einzige aktuelle Nationalspieler, der ein großes Turnier bestritten hat.

Stimmt, ich war 1998 bei der WM dabei. Sonst ist keiner übrig geblieben.

Was bringt Ihnen diese Erfahrung?

Wir hatten 1998 eine gute, gestandene Mannschaft mit vielen erfahrenen Spielern. Wie im Rausch sind wir durch die Qualifikation gekommen, wir hatten einen richtigen Lauf. Trotzdem hat es bei der WM nicht gepasst. Natürlich ist die Vorbereitung wichtig, natürlich helfen positive Ergebnisse und eine positive Presse. Am Ende aber entscheiden nur die drei Spiele in der Vorrunde.

Hätten Sie für möglich gehalten, dass Österreich zehn Jahre an keinem Turnier mehr teilnehmen würde?

Dass wir bei jedem Turnier dabei sind – diese Stärke hatten wir nie. Österreich ist ein kleines Land. Wir gehören nicht zu den Top-Nationen im Fußball. Derzeit sowieso nicht.

Dem österreichischen Fußball fehlt eine komplette Generation.

Nach mir gibt es ein großes Loch. In unserer Mannschaft haben wir fünf, sechs Spieler mit Erfahrung. Der Rest ist jung. Im Moment haben wir genug Talente. Aber wir können nicht nur mit jungen Spielern in die EM gehen. Das geht nicht.

Hat der Verband zu spät reagiert?

Der ÖFB hat mit seinen Nachwuchsprogrammen schon einiges erreicht. Aber es dauert. Man kann nicht heute anfangen und sagen: Bumm, jetzt haben wir eine junge Generation, die wir einfach laufen lassen. Aber es kommt wieder was.

Was zeichnet die jungen Spieler aus?

Sie haben eine gewisse Unbekümmertheit. Die spielen drauf los. Was hinter ihnen passiert, interessiert die erstmal nicht, das wird schon gut gehen. Aber das ist in Ordnung. Wichtig ist, dass wir wieder ein paar Jahrgänge haben, die den Willen mitbringen, sich mehr zu quälen.

Trotzdem haben Sie auch schon Kritik an den Jungen geübt.

Weil es vielen zu leicht gemacht wird. Nach ein paar guten Auftritten bist du direkt Stammspieler im Verein oder Kandidat für die Nationalmannschaft. Irgendwann muss man die Jungs mal wieder vom Ross holen. In meinem Alter darf man ruhig mal dazwischen hauen.

Sie werden im März 35. Die EM im eigenen Land kommt für Sie gerade noch zur rechten Zeit. Aber kommt sie für Österreichischs Fußball nicht einige Jahre zu früh?

Wenn du die Chance bekommst, eine EM auszurichten, kannst du nicht sagen: Lasst uns noch ein paar Jahre warten, bis wir eine bessere Mannschaft haben! Wir müssen das Turnier jetzt so gestalten, dass die Leute sagen: Wir sind stolz auf euch.

Im Moment hat die Mannschaft nicht unbedingt einen Lauf.

Davon sind wir weit entfernt, das stimmt. Wir haben aber auch schon Leistungen gezeigt, mit denen man bei einem Turnier bestehen kann. Dass wir die EM im eigenen Land bestreiten, ist ein gutes Polster für uns. Mit dem Heimvorteil und der Euphorie ist vieles möglich ist.

Fallen Ihnen noch mehr Gründe ein, warum Österreich Europameister wird?

Es gibt genug Gründe. Wir haben uns gewisse Linien und Vorgaben gesetzt, die jeder in der Mannschaft akzeptiert. Wir wissen, dass wir nur mit einem guten Kollektiv Erfolg haben können.

Sehen Sie Parallelen zur Situation der deutschen Nationalmannschaft vor der WM 2006?

Fußballerisch stehen die Deutschen eine oder zwei Klassen über uns. Aber in der Berichterstattung gibt es mit Sicherheit Parallelen. Die deutsche Mannschaft und der Trainer haben vor der WM Kritik von allen Seiten abbekommen. Am Ende ist das Sommermärchen daraus geworden.

Jürgen Klinsmann hat bei seinem Amtsantritt gesagt: Wir wollen Weltmeister werden. Hätte Joseph Hickersberger sagen müssen: Wir wollen Europameister werden?

Es gibt ja einige Spieler, die das getan haben. Warum sollen wir nicht Europameister werden? Aber wir wissen schon, wo wir stehen und was wir uns zutrauen können. Wir müssen auf jeden Fall die Vorrunde überstehen. Wenn wir das schaffen, ist es vielleicht möglich.

Sie denken an Griechenland.

Oder an Dänemark. Daran sieht man, dass sich nicht nur die großen Favoriten den Titel holen können. Aber dafür muss alles passen.

Dieses Gefühl hatte man bisher nicht.

Die Stimmung in der Mannschaft war immer gut, vielleicht gerade weil wir so viel Prügel einstecken mussten. Unter solchen Voraussetzungen sieht man erst, wie gut man wirklich ist.

Ignorieren Sie die Kritik?

Das ist nicht so einfach. Man hört es hier, man hört es da. Aber wir wissen schon, wann wir sagen müssen: Okay, jetzt reißen wir uns am Riemen.

Wenn zum Beispiel der Vorschlag kommt, Österreich solle seine Mannschaft von der EM zurückziehen?

Ich finde es schade, dass solche Äußerungen getätigt werden. Mehr will ich dazu nicht sagen.

Hat die Mannschaft so etwas wie eine Wagenburgmentalität entwickelt?

Ich glaube schon. Wir versuchen in jedem Spiel einen gewissen Trotz gegen die Medien zu entwickeln. Die Kritik, die auf uns eingeprasselt ist, war nicht ohne. Aber man hat auch gesehen, dass die Mannschaft zusammengewachsen ist.

Gilt das auch für das Verhältnis zu Ihrem Trainer?

Für uns Spieler war es schon nicht leicht, aber der Trainer hat noch mehr Schläge einstecken müssen. Er hat sich trotzdem immer vor uns gestellt. Das versuchen wir ihm zurückzugeben. Die Mannschaft steht komplett hinter ihm.

Glauben Sie, dass sich nach der EM einige Leute bei Hickersberger entschuldigen?

Ich gehe davon aus, dass sich viele entschuldigen müssen. Ob sie es auch tun werden, ist eine andere Frage. Die ganzen Schulterklopfer, die dann wieder auftauchen, werden natürlich sagen, dass sie es schon immer gewusst haben.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns

Martin Hiden, 34 Jahre, ist Innenverteidiger. Gerade wurde er für ein halbes Jahr von Rapid Wien an Austria Kärnten ausgeliehen. Bislang hat er 48 Länderspiele absolviert.

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