Sport: Werder vergisst das Wesentliche
Bremen macht den Schiedsrichter für das Aus im Uefa-Cup verantwortlich – nicht Miroslav Klose
Den glücklichsten Moment des Spiels erlebte Schiedsrichter Bertrand Layec gegen kurz nach zehn. Torsten Frings wurde ausgewechselt, und den Vorsprung, den der Bremer sich dadurch erarbeitete, konnte Layec nicht mehr aufholen. Der Franzose stand wohl noch unter der Dusche, als Frings bereits aus dem Weserstadion floh. Er sah furchterregend aus: Seine mächtigen, tätowierten Oberarme hatte er komplett freigelegt, auf seinem Kopf trug er eine schwarze Baseballkappe seines privaten Ausstatters „Bonesmasher“, mit Totenkopf-Emblem, und allzu freundlich wirkte er auch nicht. Bertrand Layec jedenfalls musste gottfroh sein, dass er dem Knochenbrecher Frings an diesem Abend nicht mehr in die Hände fallen konnte.
Frings beließ es nach dem 1:2 des SV Werder Bremen gegen Espanyol Barcelona und dem Aus im Halbfinale des Uefa-Cups bei verbaler Prügel: „Wahrscheinlich hat der gedacht, der pfeift hier irgendein Freundschaftsspiel auf Norderney oder so.“ Die Bremer Empörung entzündete sich vor allem an zwei Entscheidungen zu Beginn des Spiels. Gerade 90 Sekunden waren vorüber, als Layec Miroslav Klose nach einem Zweikampf in der Luft die Gelbe Karte zeigte, und nachdem Bremens Stürmer eine Viertelstunde später ohne Feindberührung, aber mit dem Ziel, einen Freistoß zu ergaunern, zu Boden gegangen war, hatte dies seinen frühen Ausschluss zur Folge. 1:0 führten die Bremer zu diesem Zeitpunkt, das Wunder nach dem 0:3 aus dem Hinspiel schien möglich. Mit Kloses Platzverweis aber wurden alle Hoffnungen hinfällig. „Wir sind meiner Meinung nach voll beschissen worden“, sagte Torsten Frings.
Bei nüchterner Betrachtung hat jedoch nicht der französische Schiedsrichter, sondern Miroslav Klose den ersten Titel der Bremer auf dem Gewissen. Zwei Tage vor dem Hinspiel in Barcelona traf er sich in geheimer Mission mit einer Delegation der Bayern und störte damit die Konzentration auf das Wesentliche; im Weserstadion unterminierte er die Bemühungen seines Klubs mit einem dumpfen Betrugsversuch. Klose gestand später, er habe den leichten Zug am Arm zu einem freiwilligen Sturz genutzt. Dass die folgende Gelbe Karte rechtmäßig gewesen sei, sei „keine Frage“, die erste aber: „ein Witz“. Ein ganz normaler Zweikampf sei das gewesen, „da gibt es im Spiel 20 schlimmere“.
Dass Klose nach seinem freiwilligen Sturz gleich wieder aufstand und keinen Freistoß forderte, ehrte ihn. Bisher ist der Stürmer ohnehin nicht als Elfmeterschinder aufgefallen. Im Gegenteil: Vor zwei Jahren erhielt er einen Fair-Play-Preis, weil er gegen einen unberechtigten Elfmeter zu seinen Gunsten beim Schiedsrichter interveniert hatte. Dass Klose diesmal offensichtlich gegen die eigene Natur handelte, schien in die allgemeine Verwirrung zu passen, die bei ihm zuletzt registriert wurde. Doch als ein Journalist die Schwalbe in einen größeren Zusammenhang stellte, entgegnete Werders Sportdirektor Klaus Allofs: „Ich weiß nicht, was Sie jetzt konstruieren wollen.“
Mit den Diskussionen um seine berufliche Zukunft, der demonstrativen Unentschlossenheit und seinen Ungeschicklichkeiten hat Miroslav Klose die Nachsicht seines Arbeitgebers zuletzt arg strapaziert. Nach dem Platzverweis jedoch ließen alle Beteiligten Milde walten. „Er braucht sich nicht zu entschuldigen“, sagte sein Kollege Christian Schulz. Klaus Allofs hatte den Stürmer „sehr gut im Spiel“ gesehen. Zwei aussichtsreiche Möglichkeiten vergab Klose bis zu seinem Ausscheiden. Einmal sprang ihm der Ball im Strafraum zu weit von der Brust, bei seiner zweiten Gelegenheit klärte Torrejon zur Ecke. „Er hatte tolle Aktionen“, sagte Bremens Trainer Thomas Schaaf. „Leider ist ihm dann passiert, dass er nicht weiterspielen konnte.“
Den Bremern ist zuletzt einiges passiert, was ihnen nicht gefallen hat: drei Niederlagen hintereinander zum Beispiel, wodurch auch der zweite Titel ernsthaft in Gefahr geraten ist. „Wir wollen die Saison nicht als Dritter abschließen“, sagte Schulz. „Wir glauben an unsere Chancen.“ Und sie glauben an Miroslav Klose. „Er kann vielleicht noch einen großen Teil dazu beitragen, dass wir doch noch Deutscher Meister werden können“, sagte Schulz. Auch eine vage Hoffnung ist eine Hoffnung.