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Der Taktgeber. Mittelfeldspieler Xavi (links) ist die zentrale Figur in der spanischen Fußballkunst. Der Routinier vom FC Barcelona gibt auch in der Nationalmannschaft den Rhythmus vor. Xavi hätte es verdient, in Kürze zum Weltfußballer 2011 gewählt zu werden.

© AFP

EM-Vorschau: Wie schlägt man nur Spanien?

Die Fußballkunst des Weltmeisters ist so perfekt, dass Gegner verzweifelt und erfolglos nach Gegenmitteln suchen.

Damals waren sie sogar auf deutschen Schulhöfen wegen vermeintlicher Verletzungsgefahr verboten, heute werden sie manchmal noch in der Ergotherapie eingesetzt. Klick-Klack- Kugeln waren in den siebziger Jahren sehr beliebt, die Kunst besteht bei diesem Geschicklichkeitsspiel darin, zwei durch Schnüre an einem Ring verbundene Kugeln in einen gleichmäßigen Rhythmus zu bringen. Schön, wenn man es kann. Oder man verzweifelt.

Auf spanisch heißt das Geschicklichkeitsspiel Tiki-Taka, und seitdem bei der Weltmeisterschaft 2006 ein Journalist diesen Begriff benutzt hat, um die Spielweise der spanischen Nationalmannschaft zu charakterisieren, hat deren Kurzpassspiel und damit jener Stil, Fußball zu spielen, an der es sich für die anderen abzuarbeiten gilt, seinen lautmalerischen Namen. Einige versuchen das jahrelang gewachsene Prinzip kurzfristig nachzuahmen; die meisten erkennen aber die Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens und fragen sich, wie den Spaniern mit anderen Mitteln beizukommen ist. Denn diese Spielweise perfekt zu kopieren ist sehr schwer und für viele Teams schlicht unmöglich, weil dafür die notwendigen taktischen und technischen Voraussetzungen fehlen.

Wie es nicht geht, haben die deutsche Nationalmannschaft und ihr Bundestrainer Joachim Löw im Endspiel der vergangenen Europameisterschaft und im Weltmeisterschafts-Halbfinale erlebt, als sie genauso unterlegen waren wie die anderen Mannschaften. Die Niederländer zeigten im WM-Finale, dass übertriebene Härte auch nicht hilft. „Man kann gute Mannschaften nur schlagen, wenn man spielerisch besser ist und nicht, wenn man aggressiver ist. Das ist ein Trugschluss“, sagt Joachim Löw seit einiger Zeit. Er arbeitet seit Jahren daran, seine Mannschaft spielerisch weiterzuentwickeln und hat nun die Hoffnung, dass sie zumindest in der Offensive gut genug ist, um im Sommer bei der Europameisterschaft gegen Spanien zu gewinnen. Löw setzt selbstbewusst – wie die Spanier – auf die eigene Stärke.

Ihr erstes Spiel bei der WM in Südafrika hatten die Spanier 0:1 gegen die Schweiz verloren, und es schien, als sei ein Mittel gegen die Übermannschaft gefunden. Sie muss dort gestört werden, wo sie, klick-klack, ihren Rhythmus findet, im Bereich zwischen der eigenen Abwehr und dem Mittelfeld. Doch der Sieg der Schweizer war äußerst glücklich, und das weitere Turnier zeigte, dass auch eine Mischung aus frühem Angreifen, variabler Defensivarbeit und schnellen Kontern – das Wissen um die richtige Taktik also – nicht ausreichte, um den spanischen Ballbesitzrausch entscheidend zu unterbinden. So wird seitdem nach Schwächen der Spanier gesucht. Die linke Abwehrseite? Die nachlassende Schnelligkeit von Innenverteidiger Carles Puyol? Das Fehlen eines unumstrittenen zentralen Stürmers, der die schönen Passstaffetten auch zählbar vollendet? Vielleicht. Nationaltrainer Vicente del Bosque hat in dieser Woche schon einmal Stürmerstar Fernando Torres gewarnt, der beim FC Chelsea nicht zurechtkommt. „Wenn sich seine Situation nicht verbessert, wird es hart für ihn“, sagte er der spanischen Zeitung „AS“. Del Bosque hofft auf die rechtzeitige Genesung David Villas vom FC Barcelona, der einen Schienbeinbruch erlitten hat, besitzt aber auch noch Alternativen wie Fernando Llorente von Athletic Bilbao.

Die Sorgen des Trainers könnten also größer sein, den Konkurrenten bleiben eher Hoffnungen allgemeiner Natur. Es gibt Zyklen von Fußballmannschaften. Nach einigen Jahren funktionieren sie nicht mehr so wie zuvor, siehe Welt- und Europameister Frankreich vor zehn Jahren. Man weiß um das Überschreiten des Höhepunkts endgültig erst im Nachhinein, doch Anzeichen dafür sind bei den Spaniern nicht auszumachen. Die jüngsten Testspiele gegen England (0:1) und Costa Rica (2:2) besitzen wenig Aussagewert, von nachlassender Motivation nach den großen Erfolgen ist nichts zu spüren. Das könnte am Spielsystem liegen, das wie automatisch funktioniert, nichts könnte besser die Bedeutung eines funktionierenden Gesamtgefüges namens Mannschaft aufzeigen. Außer Rhythmusgeber Xavi, der trotz Lionel Messi und Cristiano Ronaldo in der kommenden Woche endlich zum Weltfußballer gewählt werden sollte, sind alle Spieler ersetzbar. Mit Xavi macht es auf jeden Fall immer klick-klack, ohne Pause.

So lange der 31-Jährige noch dabei ist, muss Vicente del Bosque nur den sonstigen Betrieb störungsfrei halten. Dann wird die spanische Nationalmannschaft auch in das Turnier im Sommer so gehen wie in die vergangenen. Als Favorit, mit Demut vor dem Spiel und der Gewissheit, es richtig zu machen. Wer sie schlagen will, muss von sich selbst schon sehr überzeugt sein. Klick-Klack.

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