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Drin. Marcel Noebels schießt den Puck am Schweizer Torwart Leonardo Genoni vorbei und die Nationalmannschaft hat das Viertelfinale von 2021 3:2 nach Penaltyschießen gewonnen.

© dpa/Roman Koksarov

Viertelfinale der Eishockey-WM: Warum Deutschland für die Schweiz Käse ist

Die jüngere Geschichte der K.o.-Spiele zwischen Eishockeyteams aus Deutschland und der Schweiz ist einseitig: Die Schweizer sind Favorit, aber am Ende gewinnt das deutsche Team, weil ihr Gegner zuverlässig Nerven zeigt.

Für Igor Larionow war die Sache klar. Als er im Februar 2018 durch das wie eine Behelfsbracke anmutende olympische Pressezentrum nahe der Eishalle am Campus von Gangneung schritt, fragte der einstige russische Weltklasseeishockeyspieler nach Marco Sturm. Wollte Larionow dem damaligen Bundestrainer etwa Tipps gegen vor dem K.o.-Spiel der Deutschen gegen die Schweiz? Nein, die brauche der Sturm nicht. „Die Deutschen gewinnen auch so“, sagte Larionow. „Das ist klar.“

Mit dieser Meinung stand der Experte vor dem Spiel eher allein da, Larionow hatte allerdings recht. Deutschland siegte gegen die favorisierten Schweizer 2:1 nach Verlängerung und kam bis ins Finale der Winterspiele. Und der Triumph über den Nachbarn reihte sich prima ein. Wenn beide Nationen bei großen Turnieren seit 2010 in K.o.-Spielen aufeinandertrafen, waren die Schweizer zuvor favorisiert – und verloren. Das war vor 2018 bei der WM 2010 in Deutschland so und das war 2021 bei der WM im Lettland so. Der Weg des deutschen Teams bis in ein Halbfinale führte zuverlässig über die Schweiz.

Nach dem Gesetz dieser Serie haben die Deutschen also am Donnerstag bei der aktuellen WM in Finnland und in Lettland (das Spiel startet um 15.20 Uhr in Riga, live auf Sport1) gegen die Schweizer gute Chancen, das Halbfinale zu erreichen. Auch wenn der Gegner seine Vorrundengruppe bei nur einer Niederlage als Erster abgeschlossen hat und die Deutschen nach drei Niederlagen und vier Siegen in Serie nur als Vierter ihrer Gruppe antreten: Die Voraussetzungen waren 2010 und 2021 ähnlich.

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Zweimal wurde den Schweizern ein Foul an Christian Ehrhoff zum Verhängnis

Vor 13 Jahren war Deutschland bei der WM im eigenen Lande mit einem knappen 2:1-Erfolg über die USA im Fußballstadion von Gelsenkirchen in die Veranstaltung gerauscht, getragen von 78.000 Fans auf Schalke. Später gab es dann solide Vorstellungen in der Kölnarena, das reichte fürs Viertelfinale gegen die im Welteishockey aufstrebenden Schweizer. Das Spiel fand in Mannheim statt, vor mit 12.500 Zuschauenden vergleichsweise kleiner Kulisse wirkte der Favorit erstaunlich nervös und der stärkste Schweizer Martin Plüss verlor als Erster die Nerven. Nach seinem Stockstich gegen den jungen Christian Ehrhoff im deutschen Drittel war das Spiel für ihn früh beendet.

Es entwickelte sich eine zittrige Partie, zu deren Höhepunkt Phillip Gogulla im zweiten Drittel zum 1:0 für die Deutschen traf. Das Tor reichte der Mannschaft von Uwe Krupp, assistiert vom heutigen Bundestrainer Harold Kreis, zum Erfolg. Eine Sekunde vor Schluss entlud sich aller Frust bei den Verlierern in einer Massenkeilerei auf dem Eis. Es dauerte lange, bis das letzte Bully noch gespielt werden konnte und der Schweizer Trainer Sean Simpson sagte auf die Keilerei angesprochen, man solle ihn bitteschön nur zum Spiel befragen und nicht zur Prügelei am Ende: „Das war sicher nicht das Wichtigste heute.“

Die deutschen Spieler feierten ihren Erfolg noch lange nach Spielschluss mit den Fans in der Arena. Dennis Endras lief mit einer riesigen Deutschlandfahne über das Eis. Deutschland scheiterte ein Spiel später knapp 1:2 gegen Russland und wurde nach dem ersten Erreichen eines WM-Halbfinales seit 1953 schließlich Vierter.

Das Tor zum Viertelfinale. Yannic Seidenberg (in gelb) hat bei den Winterspielen 2018 zum 2:1 für Deutschland getroffen.
Das Tor zum Viertelfinale. Yannic Seidenberg (in gelb) hat bei den Winterspielen 2018 zum 2:1 für Deutschland getroffen.

© IMAGO/USA TODAY Network

Acht Jahre später in der halbfertigen Campus-Halle von Gangneung ging es in Südkorea auch hitzig zu beim Duell der Nachbarn aus Europa. Auch wenn die Arena nur halbvoll war und auf den Rängen vor allem kleine Papierfähnchen geschwungen wurden. Wieder wurde ein Schweizer Foul an Ehrhoff, inzwischen gestandener NHL-Profi, zum vorentscheidenden Faktor. Nur acht Sekunden waren gespielt, da wollte Cody Almond wohl ein Warnzeichen setzen und attackierte den besten deutschen Spieler mit einem rüden Check.

Ehrhoff musste in die Kabine, konnte aber ab dem zweiten Drittel weiterspielen, Almond kam nach der Attacke mit einer Spieldauerstrafe gut davon, seine Teamkollegen aber nicht: Larionows Favoriten setzten sich 2:1 nach Verlängerung durch und gewannen schließlich olympisches Silber.

Vor zwei Jahren führte die Schweiz schon 2:0 – und verlor trotzdem

Die Schweiz schrammte im Mai des selben Jahres bei der WM in Dänemark im Finale gegen Schweden knapp am Weltmeistertitel vorbei und sah sich drei Jahre später bei der WM in Lettland dann aber nach zwei Mal WM-Silber reif für den Titel. Der Schweizer Boulevard beömmelte sich vor dem Viertelfinale über die steifen Deutschen, die „viel zu wenig Talent“ hätten.

Aber wer dann als Schweizer Zuschauer nach einer 2:0-Führung das TV-Gerät aus Langweile in einem einseitigen Spiel schon abgeschaltet hatte, der verpasste was: Nicht nur das Anschlusstor der Deutschen, sondern auch das 2:2 durch Leon Gawanke 44 Sekunden vor der Schlusssirene und nach der torlosen Verlängerung den Höhepunkt Penaltyschießen.

Legendär geworden ist das Spiel auch durch eine Anmoderation von Fernsehkommentator Basti Schwele. Als Angreifer Marcel Noebels zum (möglicherweise) entscheidenden Penalty anlief, rief Schwele: „Noebi, nimm das mit.“ Noebi nahm es mit, mit einem gekonnten Move, einem Zaubertor. Deutschland kam ins Halbfinale und wurde am Ende Vierter.

Marcel Noebels will es am Donnerstag auch wieder mitnehmen, der Angreifer von den Eisbären Berlin sagte nun: „Unsere Reise fängt ja erst gerade an. Ich freue mich auf das Spiel und glaube nicht, dass sich die Schweizer auch freuen!“ Da die Deutschen als leichter Außenseiter ins Duell gehen, sollten die Chancen gut stehen. Vielleicht sollte die Schweiz die Favoritenrolle verweigern, denn bei ihrem größten Erfolg gegen die Deutschen hatte sie niemand auf der Rechnung: Am 7. Mai 1992 traten sie bei der WM in Prag als Außenseiter gegen das Team um Didi Hegen, bis heute deutscher WM-Rekordspieler, an – und siegten 3:1. Das war eine Überraschung. Oder eben Normalität in den großen Duellen zwischen Deutschen und Schweizern auf dem Eis, in denen der Favorit zuverlässig verliert.

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