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Sport: Zu rotes Blut

Die Langläuferin Evi Sachenbacher-Stehle wird für fünf Tage gesperrt – der Skiverband legt Einspruch ein

Vor drei Wochen hat Evi Sachenbacher-Stehle es schon geahnt. Sie saß in der Villa Jauß in Oberstdorf und sinnierte über ihren hohen Hämoglobinwert. „Das beunruhigt einen“, sagte die deutsche Langläuferin und schaute verlegen, „man weiß, dass man gefährdet ist.“ Doch richtig bange war ihr vor den Olympischen Spielen in Turin nicht. „Ich war noch nie in einem Wettbewerb drüber – warum soll ich ausgerechnet in Turin ein Problem haben?“ Jetzt hat sie in Turin ein großes Problem.

Evi Sachenbacher-Stehle gehört zu zwölf Langläufern, die vor den Olympischen Spielen von der Gesundheitskommission des Ski-Weltverbandes Fis mit einer fünftägigen Schutzsperre wegen eines zu hohen Hämoglobinwertes belegt worden sind. Sachenbacher-Stehle darf nun am Sonntag nicht über 15 Kilometer starten. Eine Chance hat sie noch: Der Deutsche Skiverband (DSV) hat bei der Ad-hoc-Kammer des Internationalen Sportgerichtshofes Cas eine Einstweilige Verfügung gegen die Sperre beantragt. Die Entscheidung soll innerhalb von 24 Stunden fallen. Bleibt Sachenbacher-Stehle gesperrt, darf sie wie die anderen Läufer erst nach einem negativen Dopingtest und dem Ablauf der Sperre wieder laufen.

Der Hämoglobinwert kann auf die Einnahme des Blutdopingmittels Erythropoetin (Epo) hinweisen, muss es aber nicht. Es gibt auch Läufer, die genetisch zu hohen Werten veranlagt sind. „Ich mache nichts Verbotenes“, sagt Sachenbacher-Stehle, „ich bin im Sommer in der Höhe schon öfters über 16,0 gewesen.“ 16 Gramm Hämoglobin pro 100 Milliliter sind der Grenzwert für den roten Blutfarbstoff bei den Frauen im Langlaufen. Bei Sachenbacher-Stehle waren 16,3 gemessen worden. Gestern sagte sie unter Tränen: „Es ist Wahnsinn, dass ich jetzt bestraft werde und nicht laufen darf.“

Es ist bekannt, dass der Körper in Höhenlagen vermehrt rote Blutkörperchen produziert, weshalb der Hämoglobinwert ansteigt. „Wir wissen, dass die Evi auf die Höhe reagiert“, sagt Bundestrainer Jochen Behle. Da der olympische Wettkampfort Pragelato auf rund 1600 Metern liegt, versuchte der DSV für Evi Sachenbacher-Stehle eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken – vergeblich. Ihr Teamkollege Jens Filbrich hatte im Januar nach langen Verhandlungen eine solche Genehmigung bekommen.

Die hohe Zahl von zwölf Langläufern mit einer Schutzsperre könnte die Auswirkung der Höhenlage Pragelatos und der Höhentrainingslager sein, die die meisten Mannschaften zuvor absolviert haben. Der Internationale Skiverband wusste, dass dies auftreten könnte. „Der Spielraum bei den Schutzsperren wird in Pragelato ein bisschen größer sein“, sagte Renndirektor Jürg Capol dem Tagesspiegel, „es kann passieren, dass Leute laufen werden, die im Weltcup mit einer Sperre belegt werden würden.“

Doch offenbar konnten die zwölf Läufer auch mit langfristigen Dokumentationen ihrer Blutbilder nicht glaubhaft beweisen, dass der Anstieg ihrer Werte natürliche Ursachen hat. „Es gibt Hinweise, dass in letzter Zeit mit kleinen Dosierungen von Epo gezielt auf die Grenzwerte hin gedopt wird“, sagt Roland Augustin, Chef der Nationalen Antidoping-Agentur. Verdächtig seien Läufer, deren Hämoglobinwert sprunghaft ansteigt.

Eine Schutzsperre ist keine Dopingsperre, sie wird aus gesundheitlichen Gründen verhängt, etwa um ein Kollabieren der Läufer auf der Strecke zu vermeiden. Das Thema ist umstritten, der deutsche Bundestrainer Jochen Behle sagte bereits vor den Turiner Ereignissen: „Es muss sich etwas ändern, man sollte die Schutzsperre abschaffen.“ Für die Vielzahl der Schutzsperren bei den Spielen von Turin gibt es jedenfalls nur zwei Gründe: Entweder die Läufer reagieren auf die Höhe – oder sie dopen.

Weitere Informationen und zusätzliche Berichte aus Turin im Internet:

www.tagesspiegel.de/olympia

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