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Eli Manning

© afp

Super Bowl: Zum Giganten in vier Wochen

Ein kleiner Bruder wird Football-Star: Eli Manning kann heute unverhofft den Super Bowl gewinnen.

Eli Manning ist vor vier Wochen geboren worden. Zumindest könnte man zu dieser Überzeugung kommen, wenn man die Football-Berichte in den US-amerikanischen Medien verfolgt – die Person, die vorher unter diesem Namen erwähnt wurde, hat mit dem neuen Eli Manning jedenfalls wenig gemein. Obwohl die New England Patriots als ungeschlagener Favorit in den Super Bowl, das Endspiel der Football-Liga NFL, gehen, ist der Spielmacher des Kontrahenten New York Giants der Star des Vorspiels. Die halben USA, so scheint es, drücken dem 27-Jährigen die Daumen, dass er den Siegeszug der Patriots stoppt und seinen unwirklichen Aufstieg krönt. Während sein Bruder Peyton mit Titelverteidiger Indianapolis überraschend früh scheiterte, war es Eli, der sich in der entscheidenden Saisonphase „aus der Mittelmäßigkeit erhob“, wie „USA Today“ befand. Manning führte die Giants zu drei Auswärtssiegen in Tampa, Dallas und Green Bay und in den Super Bowl, der am Sonntag in Phoenix (0 Uhr, ARD live) ausgetragen wird. Der so lange Gescholtene bemerkte trocken: „Das ist sehr befriedigend. Und es macht Spaß.“

Bis vor einem Monat war der Stellenwert Eli Mannings im US-amerikanischen Sport in ähnlichen Bereichen anzusiedeln wie der von Ralf Schumacher hierzulande. Gleich dem Kerpener schleppte auch der amerikanische Ralf einen verheißungsvollen Nachnamen mit sich herum. Da war zunächst einmal sein Vater Archie, die Quarterback-Legende. Elis Michael aber heißt Peyton. Sein großer Bruder hat sich als einer der herausragenden Quarterbacks der Neuzeit profiliert und im vergangenen Jahr mit den Indianapolis Colts den Superbowl gewonnen. Eli dagegen sorgte bereits bei seinem Eintritt in die Welt der NFL 2004 für hochgezogene Augenbrauen, weil er sich den San Diego Chargers, die sich seine Dienste gesichert hatten, verweigerte und lieber nach New York wollte.

Bei den Giants präsentierte er sich seither alles andere als riesig. Manning begleitete der Ruf, ein zwar intelligenter und talentierter, gleichwohl zerstreuter und wenig verlässlicher Spielmacher zu sein. Gute Leistungen wechselten sich in beeindruckender Regelmäßigkeit mit Einbrüchen in entscheidenden Momenten ab. In der NFL- Geldrangliste lag Manning mit einem Jahresgehalt von rund neun Millionen Dollar direkt hinter seinem Bruder auf Platz zwei, in den sportlichen Statistiken erschien der Name Eli aber nur in unbeliebten Kategorien ganz oben. Zum Beispiel in der mit dem Namen „Interceptions“, in der er in der abgelaufenen regulären Saison den traurigen Ligaspitzenwert von 20 direkt vom Gegner abgefangenen Bällen aufstellte. In einem Spiel warf er den Ball 34-mal an seinen Passempfängern vorbei – so oft wie seit vier Jahrzehnten niemand mehr in der NFL. Das Urteil stand fest: Unter Druck bricht er zusammen.

Doch der smarte Manning brach nicht zusammen. Auch nicht, als seine Führungsqualitäten – ein im US-Sport und speziell auf der Spielmacherposition im Football sensibler Parameter – öffentlich in Zweifel gezogen wurden, und zwar von den Teamkollegen. Nicht zu Unrecht: In den vergangenen beiden Jahren hatten die Giants zwar die Play-offs erreicht, doch Manning versagten beide Male schon in der ersten Runde die Nerven. Doch er ließ sich selbst von den Buhrufen der eigenen Fans nicht beirren, zuckte mit den erstaunlich schmalen Schultern und bemerkte in seiner entwaffnend charmanten Offenheit: „Schlechte Spiele passieren, aber zu den wichtigsten Eigenschaften eines Quarterbacks zählt die Kraft, so etwas zu vergessen.“

Mit seinem unbeirrbaren Optimismus ließ Manning die Vergangenheit hinter sich und warf die Giants mit den stärksten Auftritten seiner Laufbahn ins Endspiel. Wirklich daran geglaubt hatten nur noch wenige; sein Bruder gehörte dazu. „Er hat alles, was man braucht, um ein Team zur Meisterschaft zu führen“, sagte Peyton Manning. „Und das war schon immer meine Meinung – auch vor all dem, was in den letzten Wochen passiert ist.“ Für die meisten Nichtmitglieder der Familie Manning allerdings ist aus Eli erst in jenen vier Wochen ein echter Gigant geworden.

Christian Hönicke[Glendale]

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