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Mit den Qualität steigt in Dänemark auch der Druck: Zwischen Klaphatten und Tölpel-Hans-Mentalität
Trotz „EM-Chaos“ darf Dänemark vom großen Wurf träumen und verzichtet auf einen Unioner im Aufgebot.
Stand:
Die dänische Boulevardzeitung „Ekstrabladet“ hatte wie so oft eine klare Meinung. Auf der Seite eins wurden führende Politiker wie die Premierministerin Mette Frederiksen zu „Klaphatten“ erklärt. Der Vergleich war nicht nett gemeint: Die Premierministerin und ihre Kollegen, so die Botschaft, sollen in diesen Tagen so blöd aussehen, wie die berühmten Klatschhüte, die dänische Fußballfans seit Jahrzehnten zu Spielen der Nationalmannschaft tragen.
Der Grund für den verächtlichen Titel der Zeitung: die dänischen Behörden hatten erst am Donnerstag bestätigt, dass 25 000 Fans im Kopenhagener Parken-Stadion dabei sein können, wenn Dänemark am Samstag sein Auftaktspiel gegen Finnland bestreitet (18 Uhr, live im ZDF und bei MagentaTV). Die Zeitung hatte wochenlang eine frühere Entscheidung gefordert, um für Planungssicherheit zu sorgen. Stattdessen gebe es nun „EM-Chaos“ in der Hauptstadt.
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Dass es abseits des Platzes immer wieder etwas chaotisch abläuft, muss man aber wohl bei diesem Turnier einfach akzeptieren – und zwar in jedem der elf Gastgeberländer. Zumindest auf dem Platz gibt es für die Dänen in diesen Tagen aber Grund zur Vorfreude. Zum ersten Mal seit 2012 ist Dänemark wieder bei der EM dabei. Und die Nationalmannschaft sieht so stark aus wie seit langem nicht mehr.
Zum blinden Optimismus neigen die Dänen eher nicht, aber 29 Jahre nach dem märchenhaften Finalsieg gegen Deutschland 1992 könnte man vielleicht sogar von einer neuen Sensation träumen. In den vergangenen Jahren gab es einen personellen Umbruch im Nationalverband, und unter dem neuen Trainer Kasper Hjulmand läuft es sportlich rund. Die Mannschaft ist 2021 noch ungeschlagen, in den jüngsten acht Monaten hat sie sowohl England als auch den alten Rivalen Schweden besiegt. Im März deklassierte sie Österreich 4:0 in Wien.
Marcus Ingvartsen fehlt im Kader der Dänen
„Dänemark hat sich in den letzten Jahren extrem weiterentwickelt, und nun gibt es in der Bevölkerung große Hoffnung“; sagte Marcus Ingvartsen, der dänische Angreifer des 1. FC Union, dieser Zeitung vor einigen Wochen. Ingvartsen selbst ist trotz einer starken Saison in Berlin bei der EM nicht dabei. Auch, weil die Konkurrenz so groß ist. „Es gibt viele Dänen, die jetzt bei großen europäischen Klubs spielen, die Mannschaft wird unter Hjulmand immer besser“; sagte Ingvartsen.
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Der neue Trainer, der erst 2020 von Age Hareide übernahm, versucht jetzt, auf der relativ erfolgreichen WM-Kampagne 2018 aufzubauen, indem er die großen Namen wie Kasper Schmeichel oder Christian Eriksen stärkt. In einem Interview vor einem Monat kritisierte er die dänischen Fans für ihre „Tölpel-Hans- Mentalität“. Die Dänen lieben es, den Außenseiter zu spielen, und wären deshalb zu kritisch gegenüber großen Spielern wie Eriksen, sagte er. Man müsse lernen, diesen Spielern „Tribut zu zollen“.
Vielleicht kam die Botschaft auch an. Jedenfalls war es Christian Eriksens Gesicht, das am Freitag auf einer anderen, eher seriösen Zeitung zu sehen war. „Jetzt beginnt es“, hieß die Überschrift bei „Politiken“. Wo es diesmal endet, wird man noch sehen müssen.
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