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Sie heißen Chiacchere, Polsterzipf, Auszogne, Fritelli, Faworki, Fastnachtschüechli - aber haben eines gemeinsam: Sie sind das traditionelle Fettgebäck zum Karneval, Schwestern und Brüder des Berliner Pfannkuchens.

© Shutterstock, Gettyimages/iStockphoto (3), Getty Images, promo (2), Illustration: Sonja Röhrig

Karnevalsgebäck: Ich bin kein Berliner

Am Aschermittwoch ist bekanntlich alles vorbei. Deshalb jetzt nochmal richtig zugreifen: Es müssen ja nicht immer Pfannkuchen sein

Von Susanne Leimstoll

Die Szene habe ich noch vor Augen: Meine schwäbisch-bayrische Großmutter in der Kittelschürze am holzbefeuerten Küchenherd, wie sie kleine Klumpen von ihrem Hefeteig zwickt, sie mit flinken Fingern rotieren lässt, zu handtellergroßen Fladen dehnt, bis der Rand wulstig und die Mitte hauchdünn ist und einen nach dem anderen in den großen Topf mit siedendem Fett gleiten lässt. Ein paar Minuten nur, dann schwimmen sie oben wie kleine Rettungsinseln, werden herausgefischt, außen goldbraun, in der Mitte karamellhell. Zucker drüber – und wir Enkel beißen in die krossen Küchle, die bei der Oma „Auszogne“ hießen. Der Zucker klebt an den Wangen, es duftet nach Schmalzgebackenem. So und nicht anders schmeckte unser Fasching.

Von Scherben und Polsterzipf ...

Frittiertes Hefe- oder Quarkteiggebäck vor Aschermittwoch gibt es in allen (katholischen) Regionen und nicht nur in Deutschland. Überall erfüllte die Tradition den gleichen Zweck: Es sollte vor der Fastenzeit noch einmal richtig Speck auf die Rippen durch frittierten Hefe-, Quark-, Öl- oder Mürbteig, bestäubt mit Zucker und womöglich noch süß gefüllt, wie beim Pfannkuchen, den badischen „Scherben“ oder den österreichischen „Polsterzipf“, auch „Hasenöhrl“ genannt, einer kalorienstrotzenden kleinen Schweinerei in Rautenform. Zu wilhelminischen Zeiten stopfte man sich den Bauch mit rechteckigen „Kamerunern“ voll, offenbar erfunden fürs leibliche Wohl von Soldaten in der Kolonie Deutsch-Kamerun.

... über Faworki und Malasadas ...

Mag ja sein, dass all das ähnlich schmeckt, bei der Formensprache immerhin ließen sich die Traditionalisten etwas einfallen. In Polen backen sie noch heute „Faworki“, zehn Zentimeter lange Teigschleifen, gemacht aus endlos geknetetem Mürbteig mit Sahne und einem Schuss Essig. Die wiederum erinnern stark an die rheinischen „Mutzen“. Und weil zur Fasnacht außer Schleifchen auch Blümchen gehören, backt man in Polen auch die „Karnevalsrose“ aus, für die drei aufeinandergelegte, eingekerbte Teigkreise sich im Fett zu einer Art Blüte wölben und mit einem Klacks Sauerkirschmarmelade obenauf serviert werden. In Schwaben nennen sie die „Auszognen“ übrigens auch „Knieküchle“, weil sie halt aussehen wie übers Knie gezogen. Dass meine Oma damit nicht allein war, hätte man ihr auf den Azoren erzählen können, denn da backen sie aus Quarkteig Knieküchle-Zwillinge in Fett aus, portugiesische „Malasadas“. Die Schweizer dagegen mögen’s besonders knusprig: Ihre hauchdünnen „Fasnachtschüechli“ werden vor dem Sieden in Fächerfalten gelegt. In Italien essen sie „Chiacchere“, knusprige Fladen, Streifen oder Rauten mit gezacktem Rand, die aussehen wie mit Puderzucker bestäubte Pasta, auch über die Karnevalszeit hinaus. Und italienische „Fritelle“, beinahe mundgerechte Bällchen, sind nichts anderes als niedliche Krapfen.

... zu Berlim und Kreppel

Ehe die Berliner jetzt auf die Idee kommen, sie hätten die Idee mit den Pfannkuchen allein gehabt: Die Portugiesen kennen „Berlim“, also Berliner Kugeln, die Slowenen schwer verdauliche „Trojane-Krapfen“, die Polen mampfen am „Fetten Donnerstag“ ihre „Paczki“ mit Hagebuttenmarmelade und die Holländer öfter mal „Oliebollen“ mit Rosinen. Hessen und Pfälzer gönnen sich „Kreppel“ zum Wein – ehe selbst der fastenhalber gestrichen ist. Am Aschermittwoch ist schließlich alles vorbei.

- Wer genug von Berliner Pfannkuchen hat: Natalia Giordano von „Latodolce“ bietet auch über die Faschingszeit hinaus täglich italienisches Karnevalsgebäck an, nämlich Chiacchere und Fritelle. Graefestr.11, Kreuzberg

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

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