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Schwestern aller Länder! Dior-Designerin Maria Grazia Chiuri mag feministische Sprüche auf T-Shirts.

© Guy Marineau/Imago

Modeausstellung in Den Haag: Macht Mode, Schwestern

„Femme Fatale – Starke Frauen in der Mode“ im Den Haager Gemeentemuseum ist die weltweit erste Modeausstellung, die ausschließlich Designerinnen würdigt und der Frage nachgeht, ob Frauen anders entwerfen.

Es war die erste Schau der Chefdesignerin Maria Grazia Chiuri für das Traditionsunternehmen Dior im Herbst 2016, die Madelief Hohé, Konservatorin der Modeabteilung am Den Haager Gemeentemuseum, zu der Ausstellung „Femme Fatale – Starke Frauen in der Mode“ inspirierte. Diese Modeausstellung widmet sich ausschließlich weiblichen Ikonen der Modebranche. Das ist ein Novum, bis dato gab es nichts Vergleichbares.

Erstaunlich, denn es sind Frauen wie Coco Chanel, Jeanne Lanvin, Elsa Schiaparelli, Mary Quant, Vivienne Westwood, Sonia Rykiel, Miuccia Prada und natürlich Jil Sander, die die Modegeschichte bis heute nachhaltig prägen. Doch erst als Maria Grazia Chiuri ein T-Shirt mit dem plakativen Statement „We should all be feminist“, ein Zitat der nigerianischen Aktivistin und Schriftstellerin Chimamanda Ngochi, über den Laufsteg schickte und damit die MeToo-Debatte kommentierte, schien ihr die Zeit reif für eine solche Ausstellung. „Nie hat es mehr Frauen an der Spitze von Modehäusern gegeben“, sagt Madelief Hohé, die gleichzeitig auch Kuratorin ist, und meint damit vor allem die junge Generation von Designerinnen, die als Kreativdirektorinnen die Chefetagen der etablierten Luxusmarken erobern und ihnen zu neuem Schwung verhelfen – Maria Grazia Chiuri bei Dior, Sarah Burton bei Alexander McQueen, Clare Waight Keller bei Givenchy und bis vor gut einem Jahr Phoebe Philo bei Céline.

Und doch täuscht dieser Eindruck, wie eine Studie vom Council of Fashion Designers of America (CFDA) offenlegt. Demnach werden lediglich 40 Prozent der Frauenmode großer Marken auch von Frauen entworfen, in den 50 größten Modehäusern stehen nur 14 Prozent Frauen in der Führungsspitze. Auch wenn Mode gemeinhin als Frauensache gilt – in Design, Produktion und Vermarktung haben noch immer Männer das Sagen, bestimmt der männliche Blick den Look von Frauen.

Coco Chanel und Madeleine Vionnet waren Revolutionärinnen der Mode

Mode als Form weiblichen Protests, als Widerstand gegen das Patriarchat – dieser Gedanke zieht sich durch die Ausstellung. Gleich zu Beginn wird der Besucher mit Video-Statements gegen Sexismus von Prominenten wie Oprah Winfrey abgeholt. Liberté-Égalité-Féminité heißt es auf einem Schild im nächsten Raum, der mit seinen Exponaten in die Zeit der Französischen Revolution springt, in der die Schneiderei eine reine Männerdomäne war. Frauen mussten sich unterordnen und durften lediglich als Näherinnen arbeiten.

Ende des 19. Jahrhundert entstanden die ersten von Frauen geführten Couture-Häuser. Namen wie Jeanne Lanvin, Madeleine Vionnet und später Coco Chanel behaupteten sich in der Männerbranche. Sie verbannten das Korsett, experimentierten mit Schnitten und Materialien und gaben Frauen mit bequemeren Formen mehr Bewegungsfreiheit. Sie waren Revolutionärinnen der Mode und im Lebensstil, selbstbewusste und kreative Frauen, erfolgreiche Unternehmerinnen, die Affären hatten wie Coco Chanel oder alleinerziehend waren wie Jeanne Lanvin.

Nach dem Zweiten Weltkrieg löste die britische Modedesignerin Mary Quant einen handfesten Modeskandal aus. Lange Röcke störten sie beim Tanzen, also griff sie zur Schere und schnitt sie bis über das Knie ab. Der Minirock war geboren und wurde in den 1960er Jahren zum Symbol der weiblichen Befreiung. Auch das Wickelkleid von Diane von Fürstenberg, etwas stiefmütterlich präsentiert, war in den 1970er Jahren eine Revolution. Rei Kawakubo mit ihren avantgardistische Formen für Comme des Garçons, der Punk von Vivienne Westwood, der Look der frühen Businessfrauen einer Donna Karan, die ersten Statement-Shirts von Katherine Hamnett, die in den 1980er Jahren bei ihrem Besuch der britischen Premierministerin Margaret Thatcher ein T-Shirt-Kleid mit der Aufschrift „58 % don’t want Pershing“ trug. Das Bild ging um die Welt und damit das politische Statement der Designerin gegen die militärische Aufrüstung. Dann wird in der Ausstellung der Sprung in die Gegenwart vollzogen mit Kleidungsstücken der holländischen Designerin Iris van Herpen, die mit technischen Fertigungsverfahren wie dem Rapid Prototyping und dem 3-D-Druck ihrerseits die Mode revolutioniert.

Mode von Frauen hat oft eine politische Aussage, wie die Protest-T-Shirts von Katharine Hamnett in der Ausstellungsinstallation in Den Haag zeigen.
Mode von Frauen hat oft eine politische Aussage, wie die Protest-T-Shirts von Katharine Hamnett in der Ausstellungsinstallation in Den Haag zeigen.

© Geementemuseum Den Haag

Herzstück und Blickfang der Ausstellung ist ein Raum, in dessen Mitte auf großer Bühne rund 60 Kleidungsstücke aufgestellt sind, von den Kleidern englischer Suffragetten über das kleine Schwarze und Businesskostüme bis hin zu überproportional oft vertretenen Statement-Shirts, deren Slogans von „Cancel Brexit“, „No more fashion victims“ bis hin zu „Choose Love“ reichen. Dazwischen Protestschilder und ein Megafon. Neben der Bühne steht ein buntes Baugerüst mit Kleidung von Vivienne Westwood und großflächigem „Buy less, choose well, make it last“-Statement an der Wand. Es sind kraftvolle Bilder, dekorativ und klar in der Aussage: Mode von Frauen für Frauen ist immer auch eine politische Aussage. Und doch ist es plakativ und wirkt in seiner bunten Zusammenstellung beliebig.

Dieser Eindruck zieht sich durch die gesamte Ausstellung, letztlich auch, weil auf eine chronologische Darstellung konsequent verzichtet wurde. Schade, denn der Pioniergeist und Mut der Designerinnen erschließt sich erst durch den gesellschaftspolitischen Kontext. Antworten auf die Fragen, ob Frauen tatsächlich anders entwerfen als Männer, ob der weibliche Blick auf den weiblichen Körper ein anderer ist als der männliche, gibt es nur indirekt. Dazu hätte es Erläuterungen gebraucht, vielleicht hätte auch der direkte Vergleich mit Mode von männlichen Designern mehr Klarheit geschaffen.

Das Haus Dior wäre ein gutes Beispiel gewesen. Die weibliche Silhouette, die Christian Dior in seinem „New Look“ in den 1950er Jahren mit körpernahen, einengenden Schnitten, schmalen Schultern und schmaler Taille betonte, womit er Frauen wieder einschnürte, wird von seiner heutigen Nachfolgerin Chiuri aufgehoben. Wie ihre Vision der modernen Frau aussieht, hat sie kürzlich im Tagesspiegel-Interview skizziert: „Ich unterstütze die Wahrnehmung eines zeitgemäßen Frauenbildes mit einer Kollektion, die nicht nur die sinnliche Spannung zwischen Körper und Kleidung widerspiegelt, sondern auch feministisches Bewusstsein unterstreicht. Frauen von heute haben alle Möglichkeiten: Sie tragen, was sie wollen, und sind, wer sie sein wollen.“

Die Ausstellung ist bis zum 24. März im Gemeentemuseum Den Haag zu sehen, danach vom 13. April bis 15. September 2019 unter dem Titel „Wonder Women – starke Frauen in der Mode“ im Modemuseum Hasselt (Belgien).

Bettina Hagen

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