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BUA-Exzellenzcluster „MATH+“ : Eine Welle, die viele Boote anhebt
Dynamik der Meinungsbildung, Verkehrsforschung oder KI-Gefahren: Der Exzellenzcluster „MATH+“ der drei Berliner Universitäten öffnet sich noch stärker der Gesellschaft.
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Leon und Lena diskutieren mit Manfred und Monika über Nachhaltigkeit. Die ersten beiden vertreten die „Gen Z“ und plädieren für politischen Strukturwandel; die Baby Boomer finden, dass man erst einmal selbst versuchen sollte, weniger wegzuwerfen. Sebastian Pokutta klickt: Ein Diagramm erscheint, das die Zu- und Abneigung der vier Personen untereinander nach der Diskussion grafisch darstellt.
Dazu mussten die Forschenden sie gar nicht interviewen – denn die vier sind nur digitale Agenten in einem Projekt, das zum Zukunftsfeld „Multi-Agent Social Systems“ des Exzellenzclusters „MATH+“ gehört.
„In unserer zweiten Förderphase wollen wir verstärkt die sozialen Dynamiken der Meinungsbildung erforschen“, sagt Pokutta, der an der TU Berlin das Fachgebiet „Mathematische Optimierung“ leitet und ein Sprecher von „MATH+“ ist. Die Geschwindigkeit, mit der sich Meinungen entwickeln, habe durch Social Media extrem zugenommen. „Gleichzeitig sollten wir mehr über die Ansichten der Menschen wissen, wenn wir unsere Demokratie stärken wollen.“
Bürgerräte könnten profitieren
Das Sprachmodell ChatGPT ist die Grundlage für das Projekt mit den Agenten. Ihre Profile werden in Zusammenarbeit mit Psychologen erarbeitet. „Insgesamt diskutieren hunderte Agenten zu vielen Themen in mehreren Runden“, erklärt Pokutta. In einem Teilprojekt werden solche Diskussionen auch abgeglichen mit realen Entwicklungen auf Social-Media-Kanälen. „Die Modelle werden dadurch genauer, außerdem kann man so beispielsweise abschätzen, welche Gefahren von ferngesteuerten Chatbots ausgehen.“
Auch Bürgerräte könnten durch solche Anwendungen von Künstlicher Intelligenz (KI) profitieren, sagt Andrea Walther, die an der HU Berlin den Lehrstuhl für Mathematische Optimierung innehat und ebenfalls Sprecherin von „MATH+“ ist. Mit Formaten wie dem „Decision Theatre“ zur Verkehrsforschung an der FU Berlin bindet der Exzellenzcluster bereits heute die Gesellschaft aktiv ein.
„Gleichzeitig kümmern wir uns auch darum, dass KI nicht selbst zum Problem wird: einmal durch Forschung, die die Entscheidungsfindung von KI transparenter macht, und zum anderen durch Algorithmen, die den Stromverbrauch für deren Training reduzieren“, so Walther. Hier gebe es noch viel Luft nach oben – schließlich verbrauche unser Gehirn beim Lernen nur einen winzigen Bruchteil der Energie, die KI heute benötigt.
Zusammen mit dem Verein für Nationales Hochleistungsrechnen in Berlin sowie dem Konsortium „MaRDI“ der Nationalen Forschungsdateninfrastrutur am Berliner Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik will „MATH+“ in der zweiten Förderperiode generell effizientere Lösungen für den Umgang mit großen Datenmengen entwickeln.
Zusammen mit der Wirtschaft
In den Bereichen Mobilität, Energie, Gesundheit und Technologie schließlich wird der Exzellenzcluster seine enge Zusammenarbeit mit der Wirtschaft weiter intensivieren. Grundlage dafür ist auch der Forschungscampus MODAL, der am Zuse-Institut Berlin angesiedelt ist.
Er wird vom Bundesforschungsministerium gefördert und ist an „MATH+“ und seine bundesweit bekannte Graduiertenschule Berlin Mathematical School angebunden. In sechs „Laboren“ kooperieren hier Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft.
Bei „MATH+“ selbst wird das neue „Einstein Innovation Center“ den Kontakt zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft koordinieren. Damit soll auch eine verstärkte Wissenschaftskommunikation einhergehen: „Wir müssen den Menschen vermitteln, dass Mathematik als Grundlagenwissenschaft ein riesiges Potenzial hat. Wie eine Welle, die viele Boote gleichzeitig anhebt“, sagt Sebastian Pokutta.
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