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Früher Petrochemie, heute Tech: Schwedt ist neuer Standort für Grüne Chemie
Mit Aufbruch haben sie in Schwedt Erfahrung: 1964 errichtete die DDR das „VEB Petrolchemisches Kombinat“. Jetzt finden Start-ups aus Berlin hier Platz.
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„Heute ist der Standort besonders vom Embargo auf die Einfuhr russischen Erdöls betroffen. Deshalb ist der Transformationsdruck auf unsere Industrie höher“, sagt Sascha Lademann vom „Startup Labor Schwedt“, das vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert und von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde getragen wird.
Wohin die Transformation gehen muss, liegt auf der Hand: Die chemische Industrie verursacht weltweit vier Prozent der Treibhausgasemissionen. „Nur Innovationen können den Umbau zu einer Chemie voranbringen, die nicht auf Erdöl basiert“, sagt Lademann. „Und die kommen meist von Start-ups.“
Hier kommt nun die TU Berlin ins Spiel: zum einen als antragsstellende Universität des Exzellenzclusters UniSys-Cat, einer weltweit renommierten Institution der Katalysatorforschung. Zum anderen koordiniert die TU Berlin das Konsortium greenCHEM, das im Programm „T!Raum – TransferRäume für die Zukunft von Regionen“ des Bundesforschungsministeriums mit bis zu zehn Millionen Euro über die maximale Zeit von neun Jahren gefördert wird.
Es will die Industrie zu einer auf nachwachsenden Rohstoffen basierenden Kreislaufwirtschaft transformieren und umfasst neben den drei Berliner Universitäten 26 Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft und Behörden.
Etwa 70 Prozent der für diese Transformation benötigten Technologien sind laut John C. Warner noch nicht erfunden. Der Honorarprofessor an der TU Berlin ist Mitbegründer des Konzepts der zwölf Prinzipien der Grünen Chemie. „Katalysatoren spielen dabei eine zentrale Rolle, denn sie werden in mehr als 80 Prozent der chemischen Reaktionen in der Industrie eingesetzt“, sagt Juri Rappsilber, der Sprecher von UniSysCat.
Hat sich eine Technologie als vielversprechend erwiesen, können Start-ups im Scale Up Lab testen, ob sie auch in größerem Maßstab funktioniert.
Martin Rahmel
Start-ups, die Katalysatoren entwickeln, erhalten Expertise von greenCHEM, können Laborflächen im INKULAB-Container nutzen und bald auch in der „Chemical Invention Factory“, die ab diesem Jahr an der TU Berlin gebaut wird.
„Hat sich eine Technologie als vielversprechend erwiesen, können Start-ups im Scale Up Lab der FU Berlin testen, ob sie auch in größerem Maßstab funktioniert“, sagt Martin Rahmel, Koordinator von greenCHEM. „Doch danach stellt sich für sie die Frage: Wohin jetzt?“. Denn vor einem Einsatz in der Industrie müssen Technologien im realen, industriellen Umfeld ihre Praxistauglichkeit bewiesen haben.
Daher arbeitet die TU Berlin in Zukunft eng mit dem Land Brandenburg zusammen. In Schwedt entstehen das „Reallabor“ und der „DemoHub“. Während im ersteren technische Standardausstattung zur Verfügung stehen wird, bietet der „DemoHub“ eine Freifläche für bislang einzigartige Chemieanlagen, inklusive Ver- und Entsorgung.
Hinzu kommt, dass Schwedt ein Knotenpunkt für zukünftige Wasserstoff-Pipelines sein wird. „Start-ups finden alles Notwendige vor: Servicefirmen, Fachkräfte, grünen Strom aus Windkraft sowie Kohlenstoff aus Biomasse der Landwirtschaft“, sagt Lademann. „So entsteht eine Achse der Grünen Chemie Berlin–Schwedt.“
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