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Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität

© imago/Stefan Zeitz/imago/Stefan Zeitz

„Mein CSD“ mit FU-Präsident Günter M. Ziegler: „Hallo Mutti, Überraschung!“

Günter M. Ziegler kam 1987 als junger Forscher nach München. Der CSD damals war ein Statement, erinnert sich der heutige FU-Präsident: „Wer wird da sein, wer wird uns sehen?“

Günter M. Ziegler
Eine Kolumne von Günter M. Ziegler

Stand:

München, 1987: Das war zu der Zeit, als der CSU-Politiker Peter Gauweiler Staatssekretär bei Franz Josef Strauß war und die Vorstellung hatte, Aidskranke in ein Lager einsperren zu müssen. Das war aber auch die Zeit, als erstmals eine schwul-lesbische Wählervereinigung, die „Rosa Liste“, für den Stadtrat antrat, Premiere in der Geschichte der Bundesrepublik.

Ich kam damals vom Studium aus den USA zurück nach München und trat eine Stelle als Postdoc in Augsburg an. Meinen ersten privaten CSD hatte ich da schon gefeiert, in einer Großraumdisco in Boston: 2000 Männer mit „It’s A Sin“ von den Pet Shop Boys. Da habe ich auch „gay pride“ mitgenommen.

Dennoch befürchtete mein erster Freund in Boston, ich würde mich in München wieder verstecken. Angst war ein Thema, das politische Umfeld hart: In Bayern musste ich für die Anstellung als Beamter damals einen HIV-Test machen, das kann man sich gar nicht mehr vorstellen.

In München lernte ich Leute in einer Schwulengruppe kennen, der „Rosa Freizeit“. Wir gingen auch gemeinsam auf den CSD – der war Demonstration, nicht nur Party. Dass nicht nur ein paar hundert Menschen kommen, war uns enorm wichtig. Wir fragten uns: Wer wird da sein, wer wird uns sehen?

Einer aus meiner Gruppe war Theologiestudent, kam aus der schwäbischen Provinz.  Er hielt auf dem CSD ein Schild hoch: „Hallo Mutti, Überraschung!“. Wir fanden das lustig, und gleichzeitig war das ein Statement, hochpolitisch. Es war eben nicht selbstverständlich, sich auf der Straße zu zeigen. Ausgelassen gefeiert haben wir dennoch.

Heute ist der CSD natürlich viel größer. Wenn man den Zeitsprung in die Berliner jüngere Vergangenheit macht – politisch war für mich auch der CSD 2012. Er fand genau am 100. Geburtstag von Alan Turing statt. Turing war ein genialer Informatiker mit einer tragischen Geschichte. Er hatte sich umgebracht, weil er wegen seiner Homosexualität zu einer Hormontherapie verurteilt worden war.

Ich bin damals auf dem Wagen der britischen Botschaft mitgefahren: ein Doppeldeckerbus mit offenem Dach, obendrauf der britische Botschafter mit seiner Frau, und hinten auf dem Bus ein Riesenporträt von Alan Turing. Ein Zeichen, das wichtig war – und überfällig.

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