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Kein Nachkomme in Sicht: Wenn der Staat zum Erben wird
Verstirbt ein Mensch und hinterlässt kein Testament, geht der Nachlass normalerweise an die Familie. Doch was geschieht, wenn keine Angehörigen bekannt sind?
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Die Bezirksregierung Düsseldorf hat schon einmal ein Bordell geerbt. An den Kreis Sigmaringen in Baden-Württemberg ging ein altes Sägewerk. In den meisten Fällen sind es jedoch alter Hausrat, oft überschuldete oder verfallene Immobilien, gelegentlich auch Goldbarren und Schmuck, die der Staat erbt.
Dass der Staat überhaupt zum Erben wird, kann verschiedene Gründe haben: Zum einen kann der Nachlasser den Staat testamentarisch als Erbe eingesetzt haben – beispielsweise, wenn er eine Gemäldesammlung besitzt, deren Verwaltung sehr teuer und aufwendig ist.
Oder es haben alle Erben die Erbschaft ausgeschlagen – etwa, wenn der Erblasser vor allem Schulden hinterlassen hat. Am häufigsten ist jedoch ein dritter Grund: Ein Mensch stirbt und hinterlässt weder ein Testament noch irgendwelche bekannten Erben.
Kein Nachlass ohne Erbe
Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB § 1936) geht davon aus, dass es einen Nachlass ohne Erbe nicht geben kann. Sollte kein gesetzlicher Erbe gefunden werden, muss also der Staat als Notfallerbe einspringen. Konkret wird dann jenes Bundesland zum Erben, in dem der Verstorbene zuletzt gewohnt hat. Hatte der Tote keinen Wohnort in Deutschland, dann erbt der Bund.
Den Fiskus einfach zum Erben erklären, wenn kein Testament vorhanden ist und sich auch kein Erbe sofort meldet, kann das Nachlassgericht jedoch nicht. Das BGB schreibt hier vor, dass ein Erbe innerhalb einer „den Umständen entsprechenden Frist“ ermittelt werden muss, bevor der Staat Erbe werden kann.
Die Vorgehensweise unterscheidet sich jedoch je nach Bundesland. Während es in Bayern grundsätzlich eine landesgesetzlich verankerte Pflicht ist, Erben ausfindig zu machen, wird das Land Berlin nur auf Antrag tätig. Eine Erbenermittlung beantragen könnte beispielsweise der Gläubiger eines Verstorbenen, weil er befürchtet, auf einem Berg Schulden sitzen zu bleiben und deshalb Erben finden will, die nicht nur Guthaben, sondern auch das Minus übernehmen können.
In Bayern wird auch ohne Antrag gesucht
Auch ein Nachlasspfleger – er kümmert sich, wenn kein Erbe da ist, um die Sicherung des Nachlasses und handelt im Interesse denkbarer Erben – kann die Ausforschung von Erben beantragen. Im Einzelfall entscheidet das Nachlassgericht, ob sich eine Nachforschung wirklich lohnt und wie intensiv sie sein muss. Das Land Berlin habe in den vergangenen drei Jahren nach Kosten insgesamt 4,5 Millionen Euro geerbt, sagt Carola Schüren, eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen. Das Geld fließe dem Haushalt des Landes zu und werde nicht zweckgerichtet eingesetzt.
In Bayern hingegen müsse, wenn ein Mensch ohne erkennbare Erben und ohne Testament gestorben sei, auch ohne Antrag stets nach Erben gefahndet werden, sagt Josef Weinzierl, ein Sprecher des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz. Auch Überschuldung und ein geringwertiger Nachlass würde den Staat nicht von dieser Pflicht entbinden. Wie intensiv gegebenenfalls nach Erben gesucht wird, liege aber im Ermessen des Gerichts.
Erbschaften ausschlagen darf der Staat nicht
Bisweilen forschen die Gerichte auch im Ausland oder schalten sogar professionelle Erbenermittler ein. Das sind gewerbliche Ermittler, oft Historiker oder Juristen, die manchmal bis zu fünf Jahre lang Stammbäume durchforsten, Archive durchsuchen oder alte Telefonbücher sichten, um mögliche Erben größerer Nachlässe zu finden. Oft sind dies dann die Nachkommen von Geschwistern der Urururgroßeltern oder noch früherer Generationen.

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In rund einem Drittel aller Fälle sind auch die Erbenermittler erfolglos. Dann erbt der Staat. Die Erbschaft ausschlagen darf er grundsätzlich nicht. Allerdings hat der Bundesgerichtshof 2018 die Haftung des Staates für ererbte Schulden eingeschränkt. So muss der Staat notfalls nur in Höhe des Nachlassvermögens einspringen, nicht jedoch zusätzlich mit Steuergeldern.
Ist der Staat als finaler Erbe festgelegt, werden Immobilien und Grundstücke verkauft oder versteigert, ebenso wie Wertgegenstände aller Art. Aus den Einkünften können dann auch Schulden bedient werden. Der Rest fließt in den Staatssäckel.
Mit dem Erbe kommen auch Pflichten
Gerade Bayern nimmt hier jedes Jahr Millionenbeträge ein: In den beiden zurückliegenden Jahren 2022 und 2023 waren es nach Angaben des Münchener Landesamtes für Finanzen zusammen 37 Millionen Euro, wovon allerdings Kosten von 18 Millionen Euro abzuziehen waren.
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Zu den Kosten zählen nicht nur Schulden, sondern auch die Sorge um das Erbe. Beispielsweise muss der Staat bei geerbten Immobilien für den Winterdienst sorgen oder sich um die Gartenpflege kümmern, geerbte Bauernhöfe bewirtschaften und Tiere versorgen oder Dokumente von Arztpraxen sichern.
Deutschlandweit wurde der Staat durch das Fiskalerbe sogar zum größten Erben von Immobilien. Nach einer Umfrage von 2016 – neuere Zahlen sind nicht erhoben worden – waren die 16 Bundesländer durch Erbe Allein- oder Miteigentümer von etwa 10.000 Häusern und Liegenschaften. Weil immer mehr Menschen alleinstehend und kinderlos sind, erbt der Staat deutlich öfter als noch vor einigen Dekaden.
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