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Junges Unternehmertum: Was die Startup-Szene in der Krise von der Politik erwartet
Noch blicken Gründerinnen und Gründer optimistisch in die Zukunft, doch die Rahmenbedingungen müssen dringend besser werden, um international mithalten zu können.
Stand:
Deutschland befindet sich weiterhin in einer wirtschaftlichen Schwächephase. Zu dieser Einschätzung kommen auch die Wirtschaftsweisen in ihrem neuen Jahresgutachten. Die Wirtschaft stagniere nach zwei Jahren Rezession, die derzeitige Regierung habe den Ernst der Lage offenbar nicht erkannt, so lautet das ernüchternde Fazit.
Die Gründerszene hingegen scheint trotz Krise optimistischer in die Zukunft zu blicken. Dies lässt sich am „Deutschen Startup-Monitor“ (DSM) 2025 ablesen. Der Deutsche Startup-Verband befragt jährlich Unternehmen, die nicht älter als zehn Jahre sind, innovative Technologien und Geschäftsmodelle auf den Markt bringen und ausgeprägte Wachstumsambitionen haben, und gibt ihnen so eine Stimme.
Über 1800 Start-ups und Scale-ups, die diese drei Kriterien erfüllen, haben sich an der Studie beteiligt. Scale-up-Unternehmen sind Start-ups, welche die Startphase bereits verlassen haben. Die Hotspots der Gründerszene befinden sich in Berlin und München sowie in Nordrhein-Westfalen. Auch bei den Unicorns, also Unternehmen, die mit über einer Milliarde Euro bewertet werden, dominieren Berlin und München.
München gewinnt weiter an Bedeutung
Während in der Hauptstadt in den Nullerjahren Unternehmen wie Rocket Internet, Zalando oder Delivery Hero den Grundstein für das heutige Start-up-Ökosystem gelegt haben, gewinnt seit einigen Jahren dank hervorragender Unternehmensförderung auch München an Bedeutung als Unicorn-Standort dazu.
„Der Optimismus der Start-up-Szene speist sich aus der enormen Dynamik, die wir in vielen Technologien sehen“, schreibt Verena Pausder, Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbands, im Vorwort des diesjährigen DSM und verweist auf die Bereiche Künstliche Intelligenz und Deep Tech. Viele Gründerinnen und Gründer würden im Angesicht der Krise nicht aufgeben, sondern erst recht ihr Ding durchziehen.
Zu wenig Wagniskapital
Allerdings gibt es auch Hemmnisse, die das Gründungsgeschehen ausbremsen. Vor allem bei der Digitalisierung müsse Deutschland dringend aufholen. 81 Prozent der befragten Start-ups ordnen den Digitalisierungsstand hierzulande als sehr gering ein, auch bei der digitalen Souveränität schneidet der Standort schlecht ab: 78,9 Prozent der Befragten bewerten diese als gering, gleichzeitig gilt die Abhängigkeit von nicht-europäischen Technologieanbietern als hoch (26,3 Prozent) oder sehr hoch (32,1 Prozent).
Zudem geht aufgrund der Wirtschaftskrise die Zusammenarbeit mit etablierten Firmen weiter zurück. Laut DSM sinkt der Anteil an Start-ups mit Unternehmenskooperationen von 61,9 Prozent im Vorjahr auf aktuell 56 Prozent. Dabei ist es für das Wachstum von Jungunternehmen extrem wichtig, starke Partner aus der Industrie oder dem Mittelstand an ihrer Seite zu haben.
Es soll wieder Spaß machen, in Deutschland ein Unternehmen zu gründen.
Lars Klingbeil, Bundesfinanzminister und Vizekanzler
Ein weiteres Problem: Es fehlt nach wie vor an ausreichendem Wagniskapital. Bei Venture-Capital-Investments liegt Deutschland weit abgeschlagen auf Rang 18; das bedeutet, dass nicht nur die USA und kleinere Tech-Standorte wie Singapur und Israel deutlich vor Deutschland liegen, sondern auch einige europäische Nachbarn wie Großbritannien, Frankreich oder die Niederlande.
Das hat auch zur Folge, dass es einige Gründerinnen und Gründer ins Ausland zieht: Dort gibt es weniger Bürokratie, besseren Zugang zu Kapital sowie niedrigere Steuern. Vor allem die Bürokratie gilt in Deutschland als Wachstumsbremse.
Mehr Mut zu Deep Tech und KI
Christoph Stresing, Geschäftsführer des Deutschen Startup Verbandes, bezeichnet zwar das Entlastungskabinett und die voll digitalisierte Gründung „Startup in a Day“ als gute Schritte zum Bürokratieabbau. „Zur Realität gehört aber leider auch, dass immer wieder neue zusätzliche Bürokratie entsteht“, so Stresing. „Dazu gehört das Tariftreuegesetz, das Start-ups von der öffentlichen Vergabe des Bundes nach jetzigem Stand faktisch ausschließen würde.“

© Lukas Schramm
Was also kann die Politik derzeit tun, um Deutschland gründerfreundlicher zu machen und für mehr Wachstum in der Start-up-Szene zu sorgen? Christoph Stresing wünscht sich von der schwarz-roten Regierung „weniger Stahl- und Autogipfel“ und dafür „mehr Mut zur neuen Industrie: Deep Tech und KI“. Deep-Tech-Start-ups sind Unternehmen, die auf komplexen wissenschaftlichen Innovationen basieren und das Ziel verfolgen, tiefgreifende technologische Durchbrüche zu ermöglichen.
In beiden Zukunftsbranchen steckt noch viel Potenzial. Viele Start-ups arbeiten forschungsnah und mit einem hohen Innovationsgrad. Sie bilden eine Schnittstelle zwischen Forschung und Anwendung. „Mit unserer Weltklasse-Forschung, vielen Talenten und genügend Geld haben wir alle Voraussetzungen, um erfolgreich zu sein“, so Christoph Stresing.
Finanzierung erleichtern und Anreize schaffen
„Es soll wieder Spaß machen, in Deutschland ein Unternehmen zu gründen“, sagte Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) in seiner Rede zum Standortfördergesetz, das im November im Bundestag auf den Weg gebracht wurde. Es soll Start-ups und kleinen Unternehmen Finanzierungen erleichtern und Anreize für mehr private Investitionen schaffen, vor allem in Infrastruktur und erneuerbare Energien in Deutschland. Außerdem soll es zu weniger Papierkram führen, indem Prüf-, Melde- und Anzeigepflichten gestrichen werden. Soweit der Plan.
Christoph Stresing hält das neue Gesetz zwar für einen Schritt in die richtige Richtung, „aber eben nur ein Schritt“. Er sagt, man müsse größer denken und Wachstumsperspektiven schaffen: „Das Gesetz enthält einige gute Punkte – etwa bessere Bedingungen für Kapitalmärkte. Aber entscheidende Hebel wie die Verbesserung bei Mitarbeiterbeteiligungen, die Start-up-spezifische Weiterentwicklung der Forschungszulage oder Anpassungen bei der Wegzugsbesteuerung bleiben außer Acht.“
Auch wenn sich bei Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz die USA in führender Position befinden, nehmen auch hierzulande die Investitionen in KI-Start-ups deutlich zu, gerade bei den jüngsten Start-ups. Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und der dadurch stark veränderten geopolitischen Sicherheitslage steigen auch die Investitionen im Bereich Defense Tech rasant an, von 1,3 Millionen Euro im Jahr 2020 auf 888,7 Millionen Euro allein in den ersten neun Monaten 2025. So führen unsichere Zeiten plötzlich zu mehr Wachstum.
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