
© Foto: EBERLE & EISFELD/EBERLE & EISFELD
Büffeln im Bauhaus: Wo Arbeiter im Luxus lernen konnten
1930 eröffnete in Bernau die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes. Seit 2017 gehört sie zum Weltkulturerbe. Ein Besuch.
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Die Arbeiter aus den Berliner Mietskasernen müssen nicht schlecht gestaunt haben: Zweibettzimmer, Sporthalle, regelmäßige warme Mahlzeiten und ein Schwimmbad vor der Tür. Wo an diesem sonnigen Herbstvormittag Thomas Jacobi eine Besuchergruppe aus der Berliner Senatsverwaltung durch die Gänge führt, haben Maurer, Stahlkocher und Schweißer ab 1930 den regelkonformen Aufstand gegen unternehmerische Ausbeutung gelernt.
Die kubischen Klinkergebäude im Wald zwischen Bernau und Wandlitz gehören zur ehemaligen Bundesschule des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) und sind seit 2017 Teil des Unesco-Weltkulturerbes „Das Bauhaus und seine Stätten in Weimar, Dessau und Bernau“. Entworfen wurde das Ensemble vom Schweizer Architekten und Bauhaus-Direktor Hannes Meyer zusammen mit Hans Wittwer, ebenfalls Architekt am Bauhaus, und Studenten der legendären Weimarer Kunstschule.

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Nach dem Sturz der Monarchie 1918 und dem in der neuen Verfassung verbrieften Recht auf Gründung von Gewerkschaften erlebte die Arbeiterbewegung eine neue Blütezeit. Bereits 1920 hatte der ADGB rund acht Millionen Mitglieder. In Bernau sollten sie in komfortabler Umgebung und nach modernsten pädagogischen Grundsätzen während ihres vierwöchigen Aufenthalts lernen, dem zügellosen Kapitalismus die Stirn zu bieten.
Platz geschaffen werden sollte für 120 Personen. Untergebracht wurden sie in vier, dreigeschossigen Internatsblöcken. Je zehn Personen wohnten dort in fünf Zweibettzimmern. Es gab zudem einen großen Speisesaal mit Wintergarten, Seminarräume, eine Bibliothek mit Lesesaal und drei zweigeschossige Lehrerwohnhäuser.

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Sogar zwei Tennisplätze standen zur Verfügung, was, wie Jacobi verrät, in konservativen Kreisen Bernaus für spöttische Bemerkungen sorgte. „Das waren ja alles einfache Arbeiter. Die hatten vermutlich noch nie richtigen Urlaub gemacht. Hier aber war alles perfekt vorbereitet. Jeder bekam sogar 25 Reichsmark, damit er sich die entsprechenden Bücher kaufen konnte“, erzählt er in der Aula, die neben dem Speisesaal liegt.

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Der 70-Jährige gehört zum Vorstand des Vereins Bauhaus-Denkmal Bundesschule Bernau, der sich seit 1990 um den Erhalt des architektonischen Kleinodes mit seiner wechselvollen Geschichte kümmert. Inzwischen hat der Verein 50 Mitglieder, darunter auch ein Enkel Wittwers. Jacobi ist seit 2016 dabei.
Nazi-Kaderschmiede und Lazarett
Unter den Nationalsozialisten wurden die Gebäude unter anderem von der NSDAP als Schulungszentrum für ihre Spitzenfunktionäre genutzt, 1936 hat sie die Reichsführung SS übernommen. Nach 1945 diente die zum Teil stark beschädigte Schulanlage der Roten Armee als Lazarett. Später zog dort die Hochschule der Gewerkschaften „Fritz Heckert“ ein.
Nach der Wende gaben sich verschiedene Nutzer die Klinke in die Hand. Letztlich übernahm die Handwerkskammer Berlin das Ensemble vom Land Brandenburg und schrieb 2001 die Sanierung aus. Den Zuschlag bekam das Büro „Brenne Gesellschaft von Architekten Berlin“, das unter anderem auch das Schloss Cecilienhof in Potsdam und das Berliner Georg Kolbe Museum sowie die das Bauhaus Dessau saniert hat.
Heute ist die Welterbestätte zweifelsohne die Sehenswürdigkeit von Weltrang in Bernau. Allein dieses Jahr zählte das Besucherzentrum bis zum Herbst rund 11.500 Besucher. „Angefangen haben wir mit 7000 bis 8000“, sagt Judit Klage, eine von zwei Mitarbeiterinnen im Besucherzentrum und angestellt beim Bernauer Stadtmarketing. „Mit meisten kommen aus Deutschland, aber es kommen auch viele internationale Besucher, vor allem aus den USA, Großbritannien und den skandinavischen Ländern“, sagt Klage.

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Samstags und am Sonntag, jeweils um 11.30 und 14.30 Uhr, werden anderthalbstündige Führungen für zehn, beziehungsweise acht Euro durch die ehemalige Bundesschule angeboten. Anmelden kann man sich telefonisch eine Woche vorher oder online buchen. Gruppenführungen unter der Woche sind ebenfalls möglich, sollten aber gut vier Wochen im Voraus angefragt werden. Da die Gebäude seit drei Jahren vom Medizinunternehmen Michels Kliniken als Pflegeschule genutzt werden, ist der Zugang nur während einer Führung möglich.
Zu den regulären Öffnungszeiten kostenlos zugängig ist dagegen das 2022 eröffnete Besucherzentrum mit einer umfangreichen Ausstellung zum Bauhaus-Ensemble, Souvenirs und einem kleinen Kaffeeangebot. In einem der Lehrerhäuser finden zudem wechselnde Ausstellungen statt. Noch bis Juni 2026 wird „Denkmalpflege als Chance – nachhaltig sanieren, bewusst gestalten“ mit weiteren Projekten der Brenne Architekten gezeigt.
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