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Abriss von Plattenbauten in der Wilhelmstraße.

© imago/Rolf Zöllner/imago stock&people

Recycling auf der Baustelle: Neue Chance für alten Beton

Wiederverwertung schont Ressourcen. Das hat sich auch in der Baubranche herumgesprochen. Doch es ist noch deutlich Luft nach oben.

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Ein Blick auf eine Baustelle in Berlin-Pankow: Aus einem alten Wohngebäude werden die maroden Fenster entfernt, neue eingesetzt. Es fallen große Mengen an Abbruchmaterialien an: Dämm-, Mörtel-, Putz- und Ziegelreste, Glas und Beschläge. Dann landen auf dem Abfallberg am Bauplatz die Verpackungen der neuen Fenster: Folien, Pappen, Styropor. Und schließlich werden auch noch leere Silikonkartuschen und Montageschaumdosen weggeworfen.

Wenn neu gebaut, saniert oder renoviert wird, kommen viele unterschiedliche Rohstoffe zum Einsatz: Aluminium und Stahl, Baumwolle, Beton, Holz. Insgesamt verbraucht der Bausektor in Deutschland rund 90 Prozent aller mineralischen Rohstoffe. Die deutsche Volkswirtschaft kommt jährlich auf etwa 1,3 Milliarden Tonnen. Das sind laut Naturschutzbund Deutschland (NABU) mehr als 16 Tonnen pro Einwohner. Gleichzeitig erzeugt der Bausektor rund 190 Millionen Tonnen mineralische Abfälle. 

Ein Teil davon wird verbrannt, deponiert oder verfüllt, ein anderer getrennt, sortiert und recycelt. Weltweit fallen sieben Milliarden Tonnen Abfall jährlich an, so eine Studie der Vereinten Nationen.

Auch bei den CO₂-Emissionen steuert der Immobiliensektor einen erheblichen Teil zum Problem bei. Allein der Bau- und Rückbau von Gebäuden verursacht laut Deutsche Umwelthilfe acht Prozent der deutschen CO₂-Mengen.

Aus Bauschutt werden Straßen

Muss das sein? Nein. Im Idealfall werden Bauabfälle wieder aufbereitet und erneut verwendet. Stichwort Kreislaufwirtschaft. Der Kreislauf ist perfekt, wenn er die Vermeidung von Abfall, die Zirkulation von Materialien, die Produktion von Waren in hoher Qualität und die Regeneration der Natur umfasst.

Kreislaufwirtschaft am Bau beinhaltet die Wiederverwendung von Bauteilen und Materialien aus dem Rückbau, längere Lebensdauer von Gebäuden durch Umnutzung, rückbaufreundliche Planung und Einsatz von Recyclingmaterialien, um den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes nachhaltiger zu gestalten.

13
Prozent der im Bau eingesetzten Stoffe bestehen aus Recycling-Materialien

Konkrete Beispiele: Bauteile wie Deckenpaneele und Türen werden wiederverwendet, Bauschutt wird zu einem Recyclingzuschlag für Beton und Straßenbau. 2022 wurden etwa 50 Millionen Tonnen als Gesteinskörnung für Beton und Straßenbau eingesetzt, 13,3 Prozent des Bedarfs. Recycelte Materialien können auch in neuen Produkten wie Holz-Kunststoff-Verbundelementen für Terrassendielen verwendet werden, Dachziegel und Fliesen erhalten über Bauteilbörsen ein zweites Leben.

Die Baubranche weiß um die Bedeutung einer Kreislaufwirtschaft. So versucht der „Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden“ (bbs), der rund 6000 Betriebe mit etwa 40 Milliarden Euro Umsatz vertritt, über die Initiative Kreislaufwirtschaft Bau die Sensibilität für diese Form von Nachhaltigkeit zu stärken.

Zufrieden zeigt sich der bbs, dass von den jährlich rund 190 Millionen Tonnen mineralischen Abfällen nach eigenen Angaben „mittlerweile 90 Prozent wiederverwertet“ werden. Der Recycling-Anteil beträgt allerdings lediglich etwa 75 Millionen Tonnen, die übrigen 115 Millionen Tonnen werden für Deponiebau, Deichbau und Verfüllungen genutzt. Bernhard Schäfer, Sprecher der Initiative: „Ambitionierte Ziele im Bereich Circular Economy sind richtig, müssen aber realistisch an Aufkommen, rechtlichen Hürden und dem absehbaren Bedarf ausgerichtet sein.“

Bernhard Schäfer, Sprecher der Initiative Kreislaufwirtschaft Bau

© Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden e.V.

Die Deutsche Umwelthilfe dagegen fordert mehr Restriktion. Sie möchte, dass klimakonformes und ressourcenschonendes Bauen hierzulande Standard wird. Dafür hat die Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutzorganisation einen Zehn-Punkte-Plan aufgestellt, der auf eine Stärkung von Kreislaufwirtschaft im Bau- und Gebäudebereich abzielt.

Es geht dabei beispielsweise um Mindestanforderungen an Bauweisen, Bauwerke und Bauprodukte, etwa den Anteil von Recyclingmaterialien und ein verbindliches Rückbaukonzept, um Stoffe bestmöglich wiederzuverwenden.

Zurück auf Deutschlands Baustellen: Bisher bestehen lediglich 13 Prozent der im Bau eingesetzten Stoffe aus Recycling-Materialien. Noch immer wird mehr verklebt als verschraubt, dabei erleichtert Letzteres die Demontage und Wiederverwertung. Auch wird zu wenig auf Kaskadennutzung gesetzt. Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Idee, den Lebenszyklus beispielsweise von Holz durch mehrfache Nutzung zu verlängern.

So kann beispielsweise ein Thermoholzteil, das für tragende Strukturen, Fassaden und den Innenausbau verwendet wurde, nach der Demontage zu Möbeln oder Fasern wie Papier verarbeitet werden, bevor es am Ende seiner Lebensdauer als Brennstoff für die Energiegewinnung dient.

Rückenwind verleihen könnte der Kreislaufwirtschaft im Baugewerbe die modulare Bauweise. Sie ist bundesweit im Vormarsch. Der Grund: Vorfabrizierte und zerlegbare Bauteile lassen sich einfacher demontieren und auf eine andere Baustelle transportieren. Das reduziert die Abfallmenge, schont Ressourcen und trägt zur Langlebigkeit und Flexibilität von Gebäuden bei.

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