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Ukraine-Invasion, Tag 902: Was ein Rettungshelfer über seine Arbeit in Charkiw berichtet
Ukraine kontrolliert nach eigener Darstellung 1000 Quadratkilometer Russlands, russische Einheiten wohl von Trinkwasserknappheit betroffen. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
Im späten Frühjahr hat Moskau seine Offensive auf Charkiw gestartet – eine Stadt, die seit Kriegsbeginn immer wieder Ziel russischer Angriffe ist. Wie lebt es sich dort, mit der ständigen Gefahr im Nacken? Die „Washington Post“ hat ein Ehepaar aus der Stadt begleitet, das auf unterschiedliche Art und Weise versucht, den Menschen vor Ort zu helfen (Quelle hier).
Oleksii Skorlupin und seine Frau Antonova leben mit ihren beiden kleinen Kindern in Charkiw – er als Rettungshelfer, sie als Opernsängerin. Von ihren Verwandten sind sie getrennt, diese leben unter russischer Besatzung auf der Krim oder in Melitopol im Südosten der Ukraine. Was sie durch den Krieg trägt, ist die Hoffnung, ihre Familie eines Tages wieder in ihre Arme schließen zu können.
Eine Hoffnung, die vor allem Oleksii Skorlupin bei seiner schweren Arbeit Kraft schenken dürfte. Nach russischen Raketenangriffen sucht er in den Trümmern nach vermissten Menschen. Doch häufig findet er nur noch die Leichen. Inzwischen nehme er den Geruch des Todes schon wahr, bevor er die Person finde, sagt der Mann. Viele Opfer, die er fände, seien zudem Kinder.
„Das Schlimmste ist, wenn man eine Leiche findet, aber die Augen offen sind und sie einen ansieht“, sagte er. „Das trifft einen wirklich hart.“ Oleksii Skorlupin erzählt dies den Reportern, während er in den Trümmern eines Werkzeugladens versucht, eine Frau und ein Kind zu finden. Am Tag zuvor war er selbst noch dort einkaufen.
Antonova Skorlupin versucht derweil, den Menschen von Charkiw auf der Kellerbühne des Opernhauses ein wenig Ablenkung vom grausamen Alltag des Krieges zu bieten. Sie glaubt fest daran, dass ihre Arbeit dem Überleben von Charkiw dient. „Musik ist eine Art von Bewegung“, sagt sie. „Denn die Menschen, die ständig irgendwo in Kellern leben, unter diesen Luftangriffen, haben vergessen, was Leben ist.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages:
- Die Ukraine kontrolliert nach eigener Darstellung durch ihren mehrtägigen Vorstoß inzwischen etwa 1000 Quadratkilometer des russischen Staatsgebiets. Dies entspricht etwas mehr als der Fläche Berlins. Russland hingegen eroberte in der Ukraine nach eigenen Angaben jüngst nur 420 Quadratkilometer. Mehr hier.
- Einige russische Militäreinheiten in der Ukraine sollen von einer Trinkwasserknappheit betroffen sein. Das geht aus dem täglichen Lagebericht des britischen Verteidigungsministeriums hervor. Einige Soldaten seien gezwungen gewesen, auf „improvisierte Filtrationsversuche“ zurückzugreifen. Zudem sollen „stehende Pfützen“ als Wasserquelle dienen. Mehr hier.
- Nach Ansicht von FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte darf die Ukraine mit deutschen Waffen auch auf russischem Staatsgebiet kämpfen. „Wir haben der Ukraine Waffen zur Verfügung gestellt, die mit der Übergabe als Teil der militärischen Ausrüstung der Ukraine betrachtet werden. Selbstverständlich steht es der Ukraine frei, diese Ausrüstung uneingeschränkt zu nutzen“, sagte Lechte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Mehr hier.
- Aktuell mehren sich die Zeichen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin ein weiteres Mal den Einzug von Soldaten für den Ukrainekrieg befehlen könnte. Das legt ein aktueller Bericht von „Bloomberg“ nahe. Das Demnach schaffe es die Armee es derzeit nicht, genug neue Soldaten für die Invasion in der Ukraine zu rekrutieren. Mehr in unserem Newsblog.
- Die russischen Streitkräfte wollen nach eigenen Angaben mit Luftangriffen den Vormarsch ukrainischer Truppen im Gebiet von Kursk vorerst gestoppt haben. Russische Kriegsblogger berichteten am Dienstag von intensiven Kämpfen entlang der Front in der Region. Nach ukrainischen Angaben brachte Russland Soldaten und schwere Waffen in Stellung und konnte Angriffe abwehren.
- Die ukrainischen Streitkräfte melden verstärkte Angriffe im Osten des Landes. In den vergangenen 24 Stunden seien im Gebiet von Pokrowsk im Oblast Donezk heftige Gefechte zu verzeichnen. Die Angriffe konzentrieren sich demnach auf die Dörfer Hrodiwka und Schelanne, teilte der ukrainische Generalstab mit.
- Die ostukrainische Großstadt Sumy ist nach Behördenangaben in der Nacht Ziel eines russischen Raketenangriffs gewesen. Es seien Objekte der Infrastruktur getroffen worden, teilte die Militärverwaltung des Gebietes Sumy auf Telegram mit. Der ukrainische Generalstab verfügt eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Bewohner von Teilen der Grenzregion Sumy. Dies betreffe einen Radius von 20 Kilometern, teilt der Generalstab auf sozialen Medien mit.
- Nach einer Inspektion des beschädigten Kühlturms im von Russland kontrollierten Akw Saporischschja in der Ukraine kann die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) die Ursache des Brandes vom Wochenende nicht sofort feststellen. „Das Team kann auf Basis der bisherigen Erkenntnisse und Beobachtungen keine endgültigen Schlüsse über die Brandursache ziehen“, erklärt die IAEA.
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