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Das Odessa Philharmonic Orchestra unter Leitung  von Hobart Earle.

© Foto: Fabian Schellhorn

Ukrainisches Orchester beim Musikfest : Odessa, mon amour

Ein Orchester aus Odessa beweist beim Musikfest, wie vielfältig das Werk ukrainischer Komponisten ist.

Wenn ein Symphonieorchester aus der Ukraine beim Musikfest Berlin auftritt, geht es natürlich um viel mehr als „nur“ um Noten und Klänge. Welche Dramen sich im Leben dieser Musiker und Musikerinnen abgespielt haben mögen, die da auf dem Podium sitzen, kann man nur erahnen.

Es ist das erste Mal seit Kriegsbeginn im Februar, dass das Philharmonic Orchestra aus Odessa hier in der Philharmonie zusammenkommt – auch mit Unterstützung von Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die im Publikum sitzt.

Auf den Pulten: Werke ukrainischer Komponisten. Immer wieder zu zeigen, dass es ukrainische Identität und Kultur gibt, ist unendlich wichtig – rechtfertigt doch der russische Langzeitpräsident seinen verbrecherischen Angriffskrieg mit der Behauptung, dass genau diese nicht existieren würden.

Wie viele Menschen aus dem attackierten Land im Saal anwesend sind, merkt man am Applaus, wenn Dirigent Hobart Earle das Programm auch auf Ukrainisch erklärt – und daran, dass viele sofort beim ersten Ton aufstehen, als die in Deutschland nicht sehr bekannte Nationalhymne erklingt. Ein berührender Moment, obwohl Hymnen natürlich genau solche Emotionen hervorrufen sollen.

Zwei kurze Stücke zu Beginn: Myroslav Skoryk hat mitreißende Filmmusik geschrieben, voll bewegter Rhythmen, fröhlich auffahrender Streicherpassagen. Im Kontrast dazu die „Elegie“ von Mykola Lysenko, des „Vaters der ukrainischen Musik“, der im Westen noch völlig unbekannt ist. Gravitationspunkt des Konzerts ist das lange, 1968 entstandene Klavierkonzert von Alemdar Karamanov, das in Blöcken gebaut ist.

Selten erklingen Solopart und Tutti gleichzeitig. Karamanov wiederholt dasselbe Hauptmotiv, das er chromatisch um Halbtöne steigert. Was durchaus Sogwirkung entfaltet, sich aber auch schnell verbraucht und spätestens im dritten Satz zur Masche wird. Solistin Tamara Stefanovich überzeugt mit wandlerischem Anschlag, stuppst die Tasten manchmal nur an, greift dann fast zornig zu.

Nach der Pause: die 2. Symphonie des Finnen Jean Sibelius, dessen enigmatische, keine wirkliche Themenverarbeitung kennende Musik bis heute fasziniert. Hobart und das Orchester operieren mit weitausschwingenden Bögen, evozieren die Atmosphäre von Dvoráks 9. Symphonie „Aus der Neuen Welt“. Ein hochsymbolisches Finale, hat sich doch auch Finnlands kulturelle und staatliche Identität erst nach langer Ablösung von Russland durchsetzen können.

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