Umstrittener Kinderpsychiater : Anklage gegen Michael Winterhoff

Der Bonner Kinderpsychiater Michael Winterhoff muss damit rechnen, sich vor Gericht für seine umstrittenen Behandlungsmethoden verantworten zu müssen. Das Landgericht Bonn bestätigte, Anklage gegen einen 68-jährigen Bonner erhoben zu haben, dem gefährliche Körperverletzung in 36 Fällen zur Last gelegt wird. Namentlich nennen wollte eine Sprecherin Winterhoff nicht. „Die Anklage wurde zugestellt. Angeklagter und Verteidigung können nun dazu Stellung nehmen“, sagte eine Gerichtssprecherin. Zuerst hatten WDR und Süddeutsche Zeitung über die Anklageerhebung gegen den Psychiater berichtet. Winterhoff wird vorgeworfen, Kindern jahrzehntelang dubiose Diagnosen wie „Frühkindlicher Narzissmus“ oder „Eltern-Kind-Symbiose“ attestiert zu haben, die in der Fachwelt unbekannt sind.

Auch soll er ihnen reihenweise und über lange Zeiträume das Neuroleptikum Pipamperon verschrieben haben, obwohl dieses Medikament die Patienten stark sediert und nur zur Kurzzeitbehandlung in Notfällen geeignet ist. Betroffen sollen vor allem Kinder in Heimen und anderen Einrichtungen gewesen sein. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt für Winterhoff die Unschuldsvermutung. Im August 2021 hatte die Filmemacherin Nicole Rosenbach in der ARD-Dokumentation „Warum Kinder keine Tyrannen sind“ erstmals über Winterhoffs mutmaßliche Methoden berichtet und ehemalige Patienten zu Wort kommen lassen. Bei der Bonner Staatsanwaltschaft seien bereits kurz nach Ausstrahlung der Dokumentation mehrere Anzeigen eingegangen, erklärte ein Sprecher. Im vergangenen Jahr seien dann Praxisräume durchsucht und dutzende Patientenakten beschlagnahmt worden. Seitdem hätten Sachverständige die Unterlagen intensiv begutachtet, um zu prüfen, ob an den Vorwürfen etwas dran ist.

Winterhoff war mit Büchern zur kindlichen Entwicklung einem breiten Publikum bekannt geworden. Seine Werke mit Titeln wie „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“ und „Deutschland verdummt“ verkauften sich hunderttausendfach. Als oft geladener Gast in Talkshows wie „Maischberger“ und „Markus Lanz“ beschwor Winterhoff eine düstere Zukunft durch verwöhnte, tyrannische Kinder herauf. In der Fachwelt stand er mit dieser Vision jedoch relativ allein da.

Laut Bonner Landgericht hat die Verteidigung nun mindestens vier Wochen Zeit, zum geplanten Verfahren Stellung zu nehmen. „Es können etwa Gutachten vorgelegt und Beschwerden vorgetragen werden. Das kann auch mehrere Monate in Anspruch nehmen“, so eine Gerichtssprecherin. Ob das Verfahren noch in diesem Jahr beginnen kann, ist also offen.