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Was Schüler wirklich wollen: Wilde Ideen für den Ganztag in Berlin
Am Internationalen Kindertag fand der Berliner Schülerkongress statt. Wie funktioniert dieses Format und was erwarten die Grundschüler von der Senatorin?
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Im sogenannten Luftschloss auf dem Tempelhofer Feld, das eigentlich ein Holzklotz ist, durften am Donnerstag Luftschlösser gebaut werden: 80 Schüler aus zwölf Grundschulen waren anlässlich des Internationalen Kindertages eingeladen, um ihre Vorstellungen von einer guten Ganztagsschule mit Lehrern, Eltern und politisch Verantwortlichen zu diskutieren.
„An meiner Traumschule kann man cool und gemütlich lernen“, umreißt der neunjährige Jonathan, Schüler an der Reinickendorfer Otfried-Preußler-Schule, seine Erwartung. In Vorbereitung hatten er und die anderen Schüler ihre Ideen gesammelt. Am Donnerstag tauschten sie sie aus und erarbeiteten in Workshops weitere Vorschläge, um sie an Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) weiterzugeben.
An meiner Traumschule kann man cool und gemütlich lernen.“
Jonathan, 9, Schüler der Otfried-Preußler-Schule
Günther-Wünsch ist seit fünf Wochen im Amt. Nach 27 Jahren unter SPD-Führung leitet erstmals wieder eine Christdemokratin die Bildungsverwaltung. Ihre Ziele fasst Günther-Wunsch vor den Grundschülern so zusammen: „Schulen bauen, Schulplätze schaffen und dafür sorgen, dass es genug Lehrer und Erzieher gibt.“
Aber die Senatorin, die bis 2021 stellvertretende Schulleiterin an der Walter-Gropius-Schule in Neukölln war, kennt die Realität: „Eure Lehrer und Erzieher gucken schon ganz kritisch, denn das funktioniert nicht ganz so gut, aber da sind wir dran.“ Vor und nach ihrem Statement sitzt sie demonstrativ zwischen den Lehrern und Schülern auf den kantigen Holzstufen des Luftschlosses. Sie findet es wichtig, die Erwachsenenperspektive auf Schule durch die der Kinder zu erweitern.
„Guter Ganztag“ ist das Berliner Jahresthema für den Bund
Günther-Wunsch, die aktuell Vorsitzende der Kultusministerkonferenz ist, hat „Ganztag“ zum Thema ihrer Präsidentschaft gemacht. Sie folgt damit ihrer Vorgängerin Astrid-Sabine Busse (SPD). Berlin ist beim Ganztagsausbau weiter als andere Bundesländer – trotzdem hakt es.
„In den nächsten Jahren sollen alle Kinder den Ganztag genießen können und den Anspruch darauf haben, acht Stunden und länger in unseren Berliner Schulen betreut und unterrichtet zu werden“, sagt sie. Anne Rolvering, Chefin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, fügt hinzu „Ihr seid die Experten für gute Ganztagsschule“.
Ich will, dass Tablets mit Ökostrom betrieben werden.
Karl, 9, Schüler der Nürtingen-Schule
Und was sagen die Experten? Vier Grundschüler der Kreuzberger Nürtingen-Grundschule sitzen um einen Tisch, ein Meeting mit Neun- und Zehnjährigen. Karl, 9, macht den Anfang und beeindruckt: Er will keine Arbeitsblätter mehr, „sondern Tablets zum Lernen. Ich will, dass die mit Ökostrom betrieben werden, weil ich nicht will, dass die ganzen Bäume abgeholzt werden.“
Ronja, auch 9, unterstützt das und fordert zudem mehr Smartboards für die Klassenräume, zum digitalen Lernen. Die Kinder sind Jahrgang 2013, in dem Jahr erschien das IPhone 5 – sie sind die echten Digital Natives. Außerdem will sie einen „Chill-Raum mit Sofas, wo jede Pause eine Serie läuft.“ Luis, 10, gefällt das. Er sieht am liebsten die „Simpsons“. Karl sagt, es brauche mehr Sportlehrer: „Beim Sportunterricht fällt jede Woche was aus.“ Breite Zustimmung aus der Runde.
Die hohen Stimmen rufen: „Hier geblieben“
Auf die Frage, ob sie denken, mit ihren Vorstellungen etwas erreichen zu können, kommt unisono „Ja“. In dem Moment sieht man, wie Günther-Wünsch sich vom Luftschloss entfernt und auf dem Tempelhofer Feld immer kleiner wird. Die Kinder rufen ihr mit ihren hohen Stimmen nach: „Hiergeblieben“. Dann wird Luis ernst und sagt: „Wenn es wirklich durchgesetzt wird, dann dauert es auch noch Jahre“. Die bildungspolitische Realität gibt dem Zehnjährigen recht. Ob das so weiter geht, liegt jetzt auch an der Senatorin.
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