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Noten sind in der juristischen Profession alles.

© dpa

Korrupter Richter Jörg L.: Examen gegen Sex

Der korrupte Richter Jörg L., der Prüfungsklausuren verkaufte, wollte laut Zeugen nicht nur Geld. Er wollte auch Sex. Im Prozess gegen ihn sagte am Dienstag eine Frau aus, die schilderte, welche Angebote ihr der Mann machte.

"Du bist sehr niedlich mit deinem schlechten Gewissen". So schrieb Jörg L. an die junge Frau, die mitten in den Prüfungen zum zweiten juristischen Staatsexamen stand. Der 48-Jährige frühere Richter und Referatsleiter im niedersächsischen Justizprüfungsamt muss sich seit Dezember vor dem Lüneburger Landgericht verantworten, weil er Kandidaten gegen Geld Klausurlösungen verkauft haben soll. Doch Geld war offenkundig nicht alles, was für den Angeklagten zählte.

Erstmals erschienen am Dienstag Zeugen vor Gericht, denen Niedersachsens Justizbehörden die Staatsprüfung wieder aberkennen wollen, weil L. ihnen geholfen haben soll. Die Frau mit dem angeblich schlechten Gewissen heißt Agnes M. Obwohl sie ein Schweigerecht hätte, weil sie sich selbst belasten könnte, sagt sie aus. So schlecht scheint ihr Gewissen nicht zu sein.

Eine "komische Beziehung", habe sie mit L. verbunden, schildert sie vor Gericht. Sie kannte den Angeklagten aus privaten Nachhilfestunden, so genannten Repetitorien, nun traf sie ihn wieder als einen, der über ihren Berufsweg mit zu entscheiden hatte. Noten sind fast alles in der juristischen Karriere.

"Ich habe Lust auf dich"

Agnes M. war keine Referendarin in Nöten, sie hatte ihre Prüfung bestanden, aber unter ihren Erwartungen. Nun wolle sie sich verbessern, erzählte sie dem Amtsleiter auf dem Behördenflur, der sich das gemerkt haben muss. Ein Treffen im Café, "dann fing das Drama an". Es gebe die Möglichkeit, ein "tolles Examen" zu machen, mit dem alle Türen offen ständen. "Ich bin in einer einflussreichen Position." Dann aber kam nicht, wie bei anderen Kandidaten, die Forderung nach Geld, sondern L. habe ihr geschmeichelt, wie sie ihm schon früher aufgefallen sei, er sich nur nicht getraut habe, sie anzusprechen. "Ich habe Lust auf dich", soll L. gesagt haben, da kam die Botschaft an: "Ich war total schockiert", sagt sie. Sex gegen Examen? "Ich bin keine Prostituierte".

Trotzdem hielt die Verbindung, L. blieb charmant, man habe sich "gut verstanden". Der Zeugin wird es nicht unrecht gewesen sein, in ihrer Situation den Kontakt zu halten. Als "Selbsthilfegruppe" habe sie ihre Beziehung gesehen. Hilfe kam tatsächlich. So erzählte ihr der Angeklagte von der Autoreparatur eines Bekannten, den Rechtsproblemen, die sich gestellt hätten. "Stell dir mal vor, das ist keinem Bekannten passiert, sondern kommt in der Klausur vor". L. kannte die Aufgaben. Und der Werkstattfall kam wirklich dran.

L. warb weiter, schrieb SMS, Mails, "Hallo schöne Frau" und "ich schenke Dir die Hilfestellung und will rein gar nichts von Dir". Die Hilfestellung könnte die Zeugin nun ihren Abschluss kosten, in sechs Klausuren soll sie betrogen haben. Immerhin: Anders als bei jenen, die Jörg L. teils mehrere tausend Euro für Klausurlösungen zahlten, muss sie keine Verurteilung wegen Bestechung fürchten. Eine andere Zeugin, heute Rechtsanwältin in Hamburg, möglicherweise schon. Sie verweigert am Dienstag die Aussage, auch gegen sie läuft ein Aberkennungsverfahren.

Die Dimension des in der deutschen Justizgeschichte einmaligen Falls tritt noch einmal deutlich hervor, als L.s Anwälte Einsicht in die Vewaltungsakten zu den Aberkennungsverfahren fordern, die nach der Kontrolle von 2000 Absolventen eingeleitet worden waren. Es sei, "denkbar, dass Zeugen ihre Aussagen dramatisieren", um zu weiteren Examensversuchen zugelassen zu werden - normalerweise gibt es nur zwei Chancen. Die Verteidigung fordert "Waffengleichheit", doch das Gericht hält die Beiziehung der Akten für unnötig.

Was es für nötig erachtet, ist eine weitere Beweisaufnahme. Zwar hatte Jörg L. Anfang Januar alle Vorwürfe eingeräumt, doch das Gericht will das Geständnis prüfen. Womöglich auch, um die Auswirkungen des Falls deutlich zu machen, auch die persönlichen Folgen für die Referendare, ob sie die zweifelhaften Angebote des Angeklagten nun angenommen haben oder nicht. Für L. heißt das nichts Gutes. Es könnte bedeuten, dass er hart bestraft wenn soll.

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