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Neuwagen von Mercedes-Benz stehen auf dem Autoterminal der BLG Logistics Group in Bremerhaven.

© Ingo Wagner/dpa

Abschaffung der Autozölle: Der Handelsstreit bietet auch eine Chance für Europa

Während sich China und die USA mit Strafzöllen überziehen, schlägt Donald Trump der EU eine Abschaffung der Autozölle vor. Abstrus ist das - aber Europa sollte die Idee nicht gleich ablehnen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Carla Neuhaus

Es ist absurd. Und doch verwundert es einen nicht. Schließlich reden wir hier von Donald Trump. Während der Handelskrieg zwischen China und den USA eskaliert, die neuen Strafzölle auf beiden Seiten an diesem Freitag in Kraft treten, geht der US-Präsident auf die Europäer auf einmal zu. Über seinen US-Botschafter in Berlin lässt er mitteilen: Wenn Europa und die USA sich gegenseitig die Zölle auf Autos und Autoteile erlassen, dann könnte das doch die Lösung aller Probleme sein! Diskutiert hat Botschafter Richard Grenell das bezeichnender Weise zwar nicht als Erstes mit Kanzlerin Angela Merkel, sondern mit den Autobossen. Aber sei es drum: Immerhin tut sich etwas im Konflikt mit den USA.

Für den großen Jubelschrei ist es aber noch viel zu früh. Schließlich weiß man bei Trump nie, ob er es sich nicht morgen anders überlegt und genau das Gegenteil des Gesagten tut. Für die EU bleibt der Handelsstreit mit den USA daher ein großes Problem. Allerdings ist er überraschenderweise inzwischen auch: eine große Chance.

Seit Trump US-Präsident ist, klafft im Weltgefüge eine Lücke. Über Jahrzehnte waren die Vereinigten Staaten die Nation, die rund um den Globus den Ton angegeben hat und für den Freihandel eintrat. Wer im Oval Office saß, dessen Worte hatten qua Amt Gewicht. Trump wird zwar ebenfalls weltweit gehört. Doch für seine Äußerungen erntet er mehr Spott als Applaus. Eine Lücke, die die EU füllen kann und muss.

Die EU sucht sich neue Bündnispartner - zurecht!

Dass sie dazu fähig ist, beweist sie derzeit bereits: Statt lediglich auf Tweets aus dem Weißen Haus zu reagieren, sucht sie neue Bündnispartner. So steht die EU zum Beispiel kurz vor dem Abschluss eines Handelsabkommens mit Japan, das nächste Woche unterschrieben werden soll. Der Handelsvertrag mit Kanada ist bereits vorläufig in Kraft. Mit Singapur, Mexiko und Vietnam arbeitet die EU an entsprechenden Vereinbarungen. Und auch mit den Mercosur-Ländern, Indonesien, Thailand, Malaysia und Tunesien laufen Gespräche. Ohne Trump wäre all das wohl kaum so schnell ins Rollen gekommen, das gibt man in Brüssel offen zu. Gefallen kann das dem US-Präsidenten nicht: Statt mit eigener Abschottung reagieren die EU-Staaten auf Trumps Protektionismus mit mehr Freihandel.

Was der EU allerdings fehlt, ist eine Portion Selbstbewusstsein. Gemessen an der Wirtschaftskraft kann die Union durchaus mit den USA mithalten. Und so sollte sie auch auftreten. Als eine wirtschaftlich starke Staatengemeinschaft. Gerade der Handelsstreit ist die Chance für die EU, den internen Konflikt zwischen europäischer Einheit und nationalen Interessen zu überwinden.

Dass das im Prinzip möglich ist, demonstrierte die EU im Frühjahr. Als Trump mit den Zöllen auf Stahl und Aluminium drohte, einigten sich die Staats- und Regierungschefs trotz ihrer unterschiedlichen nationalen Wirtschaftsinteressen binnen weniger Wochen auf eine gemeinsame Linie. Zusammen unterbreiteten sie den Amerikanern das Angebot, es ihnen leichter zu machen, ihre Industrieprodukte (darunter Autos) in die EU zu verkaufen. Auch wenn Trump das schlicht ignorierte, hat es gezeigt, dass die EU-Staaten mit einer Stimme sprechen können, wenn es drauf ankommt.

Es steht viel auf dem Spiel: 37 Milliarden Dollar

Ein solch entschlossenes Auftreten ist bereits in drei Wochen wieder gefragt, wenn Jean-Claude Juncker und Cecilia Malmström als EU-Vertreter in Washington auf Trump treffen. Denn dann geht es um die Autozölle. Auf dem Spiel stehen 37 Milliarden Euro: So viel sind die Autos wert, die die EU-Staaten jährlich in die USA verkaufen. Gemessen daran war das, was bisher geschah, Vorgeplänkel.

Mit dem Angebot, die Zölle beidseitig auf null zu senken, liegt nun immerhin ein Lösungsvorschlag auf dem Tisch. Wie man damit umgehen sollte, ist unter den EU-Staaten umstritten. Klar ist: Man sollte die Idee nicht gleich ablehnen, nur weil sie von Trump kommt. So viel Stärke sollte die EU zeigen. Das ist ihre Chance.

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