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Verteilungsbericht der Böckler-Stiftung: Einkommensungleichheit so hoch wie nie – AfD und Linke profitieren
Die Einkommenslücke in Deutschland wird seit 2018 größer, knapp 18 Prozent der Haushalte gelten laut einer Erhebung der Böckler-Stiftung als arm. Und mit dem Einkommen sinkt das Vertrauen in Staat und Medien.
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Die Spreizung der Einkommen hat in Deutschland einen Höchststand erreicht. Seit 2018 nimmt die Ungleichheit zu, und die Quote der Menschen in Armut ist so hoch wie nie, konstatiert die gewerkschaftliche Böckler-Stiftung in ihrem jüngsten Verteilungsbericht.
Ursächlich dafür sei der Umstand, dass Personen mit niedrigem Einkommen von der positiven Wirtschaftsentwicklung im vergangenen Jahrzehnt „vergleichsweise wenig abbekommen haben“, heißt es in dem Bericht. Auch die Umverteilungswirkung durch Steuern und Sozialtransfers sei gesunken.
Grundlage des Berichts sind die jüngsten Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), das jährlich vom DIW Berlin, dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, mittels einer Befragung in 22.000 Haushalten erstellt wird. Zudem stützt sich der Verteilungsbericht auf Umfragedaten der Hans-Böckler-Stiftung, für die seit 2020 regelmäßig 5000 bis 7500 Erwerbstätige und Arbeitsuchende befragt werden.
Den Angaben zufolge erhöhte sich der Anteil armer Haushalte zwischen 2010 und 2022 von 14,4 auf 17,7 Prozent. Dabei sei die Fluchtmigration ein bedeutender Faktor gewesen, „aber der Trend nach oben zeigt sich auch unabhängig davon“, teilte die Böckler-Stiftung mit. Relativ noch stärker breitete sich „strenge“ Armut aus: 2010 waren 7,9 Prozent der Haushalte davon betroffen, 2022 bereits 11,8 Prozent.
Das mittlere (Median-)Einkommen entspricht einem jährlichen Nettoeinkommen von 25.732 Euro für eine alleinlebende Person. Die Armutsgrenze (maximal 60 Prozent des Medians) liegt dementsprechend bei einem jährlichen Nettoeinkommen von 15.439 Euro für eine alleinlebende Person. Unterhalb dieser Grenze gilt ein Ein-Personen-Haushalt als arm.
Die Grenze für „strenge Armut“ (maximal 50 Prozent des Medians) liegt bei 12.866 Euro jährlichem Nettoeinkommen.
Misstrauisch gegenüber den öffentlich-rechtlichen Medien sind gut die Hälfte (51 Prozent) der Armen und gut 31 Prozent der Reichen.
Aus dem Verteilungsbericht der Böckler-Stiftung
Auf der anderen Seite der Verteilungsskala finden sich Haushalte mit mehr als 200 Prozent des Medianeinkommens. Ab dieser Grenze, die aktuell bei knapp 51.500 Euro netto für einen Single liegt, gilt ein Haushalt als einkommensreich. Sind es mehr als 300 Prozent, spricht die Wissenschaft von „großem Einkommensreichtum“.
Relativ stabil blieb der Anteil der einkommensreichen Haushalte: Deren Quote stieg von 7,6 Prozent 2010 zwischenzeitlich auf gut acht Prozent und sank dann auf 7,2 Prozent im Jahr 2022. Der Anteil der sehr einkommensreichen Haushalte lag 2010 bei 1,9 und 2022 bei 2,0 Prozent.
Einkommen sinkt, Misstrauen steigt
Ein Zusammenhang zur wirtschaftlichen Situation der Haushalte und dem Vertrauen in staatliche Institutionen zeigt sich etwa beim Misstrauen gegenüber der Polizei, das zwischen knapp 24 Prozent unter Menschen in Armut und knapp neun Prozent unter Menschen in einkommensreichen Haushalten variiert.
Knapp 32 Prozent der Armen setzen kein oder nur geringes Vertrauen in Gerichte, unter den Reichen gilt das für gut elf Prozent. „Misstrauisch gegenüber den öffentlich-rechtlichen Medien sind gut die Hälfte (51 Prozent) der Armen und gut 31 Prozent der Reichen“, heißt es im Verteilungsbericht. Gegenüber der Bundesregierung äußerten im März 61 beziehungsweise 32 Prozent kein oder nur wenig Vertrauen.
Grundsätzlich ähnlich ist das Muster bei der Wahlbeteiligung: Sie sinkt ebenfalls mit dem Einkommen. Allerdings hat sich die Lücke bei der Bundestagswahl 2025 im Vergleich zur vorherigen Wahl deutlich verkleinert. Dabei kam die erheblich gestiegene Beteiligung von ärmeren Menschen vor allem der AfD und der Linken zugute. „Die beiden Parteien werden generell von Wähler*innen mit niedrigen Einkommen stärker gewählt als von Wähler*innen mit mehr Geld“, teilt die Böckler-Stiftung mit.
„Eine gut bezahlte, sichere Integration in den Arbeitsmarkt“ ist für die DGB-Stiftung ein Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe und gegen Armut. Ferner sollten „höchste Einkommen und Vermögen“ stärker besteuert werden, „dem Ungerechtigkeitsempfinden vieler Menschen entgegenzutreten“.
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