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Grüne Woche: Aigner warnt Verbraucher vor "Geiz-Mentalität"

Agrarministerin Aigner will angesichts des aktuellen Dioxin-Skandals das Ansehen der Landwirtschaft verbessern. Zum Auftakt der Grünen Woche weist sie den Kunden Verantwortung zu.

Die Lebensmittelbranche will nach dem Dioxin-Skandal wieder um das Vertrauen der Verbraucher kämpfen. Da kommt die Grüne Woche gerade recht.Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) nahm auch die Verbraucher in die Verantwortung und warnte vor einer „Geiz-ist-geil-Mentalität“. „Qualität hat ihren Preis“, sagte sie am Donnerstag zur Eröffnung der weltgrößten Schau der Agrar- und Ernährungsbranche in Berlin. Lebensmittel müssten allerdings sicher und bezahlbar zugleich sein. Die Debatte über mehr Öko-Landwirtschaft bekommt neuen Schwung.

Die Lebensmittelindustrie will die Kunden nach dem Dioxin-Skandal besser über die Entstehung der Produkte aufklären. „Die Fakten sprechen für uns, wir müssen sie nur glaubwürdig in einfacher und in verständlicher Weise verbreiten - und daran mangelt es“, sagte Jürgen Abraham, der Chef des Branchenverbands der Ernährungsindustrie. Er forderte die Betriebe zu mehr Offenheit auf.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verlangte Sicherheit für alle Lebensmittel. „Auch diejenigen, die nicht soviel Geld haben, müssen einen Anspruch erheben können, dass das, was im Laden ankommt, auch gesundheitlich ungefährlich ist.“ Bauernpräsident Gerd Sonnleitner sagte: Tun Sie alle gemeinsam alles, damit es wirklich das letzte Mal ist, dass wir eine Grüne Woche zur Aufarbeitung von Lebensmittelskandalen brauchen.“

Unterdessen werden Lebensmittel teurer. Sonnleitner erwartet eine Preissteigerung um zwei Prozent, weil Energie und Dünger teurer geworden sind. Die Nahrungsmittelpreise waren schon im vergangenen Jahr kräftig gestiegen. Im Jahresdurchschnitt 2010 mussten Verbraucher 1,6 Prozent mehr bezahlen als 2009. Butter wurde um fast ein Viertel teurer, berichtete das Statistische Bundesamt.

Die genaue Ursache für die Dioxinbelastung von Tierfutter und Lebensmitteln ist immer noch offen. „Wir wissen noch nicht genau, wo es herkommt“, sagte Aigner. Der Verdacht auf Pflanzenschutzmittel habe sich nicht bestätigt. Die Zahl der gesperrten Betriebe liegt bundesweit noch zwischen 600 und 700 Höfen.

In Sachsen-Anhalt gab das Gesundheitsministerium nach dem Fund von verbotenem Antibiotikum in Tierfutter endgültig Entwarnung. Milch und Fleisch von Rindern und Schweinen von Höfen, die das verunreinigte Futter bekommen hatten, dürften in den Handel gehen, teilte das Ministerium in Magdeburg mit.

Ein Expertenteam der EU kommt zur Hilfe bei der Aufarbeitung des Dioxin-Skandals nächste Woche für voraussichtlich drei Tage nach Deutschland. Die Fachleute des Lebensmittel- und Veterinäramts wollen sich von Mittwoch an in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein ein Bild von der Situation machen.

Aigner will sich dafür einsetzen, preistreibende Spekulationen mit Agrarrohstoffen einzudämmen. Sie schlug eine Limitierung von Preis oder Menge vor. „Nahrungsmittelmärkte dürfen nicht zum Objekt von Zockern werden.“ Die Preise würden in die Höhe getrieben ohne Rücksicht auf die ärmsten Regionen der Welt. Sonnleitner will das Wetten auf Preise verbieten lassen, lehnt aber Obergrenzen für Warenterminbörsen ab. Rund 50 Ländervertreter beraten an diesem Samstag beim Berliner Agrarministergipfel über Ernährungssicherung und Spekulationen.

Ein Bündnis von 24 Verbänden aus Landwirtschaft, Tierschutz, Umweltschutz und Entwicklungspolitik forderte die Abkehr von der industrialisierten Landwirtschaft. Der aktuelle Dioxin-Skandal könne nicht auf schwarze Schafe abgewälzt werden. „Hier liegt ein Systemfehler vor.“ Massentierhaltung und intensive Landwirtschaft lassen nach dem „Kritischen Agrarbericht“ immer mehr Tier- und Pflanzenarten verschwinden. Sonnleitner nahm die Bauern in Schutz. Der Vorwurf der Massentierhaltung stimme nicht mit den Fakten überein.

Polens Agrarminister Marek Sawicki forderte bei der EU-Agrarreform eine Ausrichtung auf Qualität und Innovation. Die Politik sei bisher zu konservativ, kritisierte er. „Es ist der Zeitpunkt für eine mutige, weitreichende Reform.“ Aigner zeigte sich offen für Einbußen der EU-Beihilfen zugunsten osteuropäischer Länder, warb aber für eine allmähliche Annäherung. (dpa)

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