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Fluggesellschaften: Air Berlin formt mit LTU neuen Luftfahrtblock

Mit der kompletten Übernahme von LTU will Air Berlin-Chef Hunold auch Langstreckenflüge anbieten. Daneben soll künftig ein gemeinsames Angebot mit Condor abgestimmt werden.

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Berlin - Vor knapp einem Jahr schien Joachim Hunold in der Defensive. Erst im zweiten Anlauf glückte dem Chef der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft Air Berlin die Landung an der Börse, und herein kam auch noch weniger Geld als erhofft. Seinen ehrgeizigen Expansionskurs im umkämpften Markt der Billigflieger bremste das aber nicht. Im Sommer holte er den Konkurrenten DBA unter das Dach der Gruppe, der vor allem innerdeutsche Strecken bedient. Sieben Monate später folgt nun der nächste Schritt: Mit dem Kauf des Ferienfliegers LTU vergrößert sich der Radius bis nach Übersee - inklusive sind aber auch dessen Schulden. Am Himmel über Deutschland formiert sich um Air Berlin eine neue Gruppierung neben Lufthansa und dem Reiseriesen Tui.

Der Coup war ganz nach dem Geschmack des 57-Jährigen Hunold, der 1990 als Marketingdirektor bei der LTU ausstieg, um stattdessen die eigene Firma Air Berlin zu gründen. Als in den vergangenen Wochen Gerüchte über ein mögliches Engagement des gebürtigen Düsseldorfers bei seiner "Heimat-Airline" aufkamen, wiegelten die Beteiligten ab. Die Unternehmenskulturen seien verschieden, die LTU wäre wohl erst nach größeren Veränderungen für Air Berlin interessant, meinte LTU-Haupteigner Hans Rudolf Wöhrl noch Anfang März. Von ihm hatte Hunold im vergangenen August bereits die DBA übernommen. Am Montagabend, unmittelbar vor der lange angekündigten Bilanz-Pressekonferenz von Air Berlin, wurde dann aber doch der Kaufvertrag beurkundet.

Langstreckenflüge durch LTU-Zukauf

"Mit der Übernahme der LTU folgen wir den Wünschen des Marktes", sagte Hunold zur Begründung. Viele Kunden wünschten sich auch Langstreckenflüge, für die mit den angebotenen europäischen und innerdeutschen Flügen inzwischen ein Zubringernetz geknüpft sei. Zudem biete die LTU am Heimatflughafen Düsseldorf Wachstumschancen in einem dicht besiedelten Einzugsgebiet, die wegen knapper Start- und Landerechte sonst nur schwer möglich wären. Daneben erhoffen sich die Planer jährliche Einsparungen zwischen 70 Millionen und 100 Millionen Euro, etwa aus gemeinsamem Einkauf und engerer Flugplanabstimmung. Die Air-Berlin-Gruppe, in der die LTU mit eigener Geschäftsführung agieren soll, wächst auf 119 Jets und über 20 Millionen Fluggäste.

Die Kosten des Engagements beschränken sich für den Hauptstadt- Carrier allerdings nicht auf den Kaufpreis von 140 Millionen Euro. Mit übernommen werden Verbindlichkeiten von 200 Millionen Euro. Nach langem Kampf gegen die roten Zahlen muss sich außerdem zeigen, ob der LTU die für dieses Jahr geplante Rückkehr in die Gewinnzone gelingt. Um die Finanzierung zu stemmen, will Air Berlin mit mehreren Instrumenten 250 Millionen Euro mobilisieren. Stellenabbau in der LTU-Belegschaft sei "nicht das Ziel der Übernahme" sagte Hunold, der wegen seiner erklärten Abneigung gegen Betriebsräte ein rotes Tuch für viele Gewerkschafter ist.

"Integration mit dem Malerpinsel"

Wie reibungslos die neuerliche Zusammenführung mit zugekauften Aktivitäten gelingt, müssen die Manager nun beweisen. Risiken seien aber eher begrenzt, meint Andreas Knorr, Luftverkehrsexperte an der Verwaltungshochschule Speyer. "Es geht um ein besser verwobenes Holdingmodell". Schon bei der DBA, deren Jets umlackiert werden, handele es sich vor allem um "eine Integration mit dem Malerpinsel", die Firmen blieben aber operativ eigenständig. Die Kombination LTU/Air Berlin beschere den Düsseldorfern Zubringer für ihre Langstreckenflüge, Air Berlin könne eine stärkere Position in der NRW-Landeshauptstadt aufbauen. "Das füllt eine Lücke und könnte Düsseldorf zu einem alternativen Drehkreuz zu den Lufthansa-Basen Frankfurt und München machen", sagt der Wirtschaftswissenschaftler.

Bewegung bringt Hunold nebenbei auch in die Tourismusbranche. Denn statt mit den Jets des Marktführers Tui will Air Berlin künftig mit dem Ferienflieger Condor ein gemeinsames Angebot abstimmen, der mehrheitlich zum Tui-Konkurrenten Thomas Cook ("Neckermann") gehört. Die Hannoveraner, die derzeit ohnehin im Reisegeschäft unter Druck stehen, reagierten betont gelassen. Im Heimatmarkt müssen sie sich nun aber vorerst allein gegen die Blöcke um Air Berlin sowie die Lufthansa mit ihrer Billigflugbeteiligung Germanwings behaupten. (Von Sascha Meyer, dpa)

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