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Wirtschaft: An der langen Leine der Staates

Die Ex-Behörden Bahn, Post und Telekom wollen eigenständige Unternehmen sein – doch über wichtige Fragen wird in Berlin entschieden

Das neue Jahr fängt für die Verbraucher gut an. Die Deutsche Post hat das Porto gesenkt. In großen Anzeigen wirbt das Unternehmen mit den neuen Preisen für Postkarten und Briefe – und versucht, sich die Meriten für die erste Portosenkung in der Geschichte selber zuzusprechen. „Kleine Geschenke werden jetzt günstiger. Unsere Preise 2003“, tönt die Post – doch das ist nur die halbe Wahrheit. Wäre es nach dem Konzern gegangen, würden Briefeschreiber weiter die gleichen Preise zahlen wie 2002. Die Portosenkung ist die Folge eines staatlichen Eingriffs – der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post – und nicht einer selbstlosen Unternehmensentscheidung oder des Kundenzwangs.

Gut zwei Jahre nach dem Börsengang der Deutschen Post Worldnet AG steckt das Unternehmen noch immer in der Umklammerung durch den Staat. Dabei wollte es gerade diese Zwänge mit dem Debüt auf dem Frankfurter Börsenparkett abstreifen. Doch bis zur Normalität ist es noch ein weiter Weg: Die Bundesrepublik ist weiterhin einer der größten Anteilseigner, und ein Termin für den Verkauf weiterer Postaktien ist weiter unsicher. Dieses Schicksal teilen auch die Deutsche Telekom und die Deutsche Bahn. Eigentlich hatten bei der Post wie bei der Telekom der Börsengang und die Internationalisierung des Geschäfts mehr Selbstständigkeit bringen sollen. Doch für Kleinaktionäre bedeutet der erste Schritt mittlerweile einen Milliardenverlust und der zweite Schritt für die Unternehmen selber ein Milliardengrab. Der Großteil der Gewinne stammt weiter aus der monopolähnlichen Stellung auf dem Heimatmarkt, die Telekom und Post weiter in einigen Bereichen haben – und das wird nach Ansicht der meisten Analysten aller Voraussicht nach auch so bleiben.

Denn der Briefmarkt zum Beispiel wird nur langsam geöffnet, eine europaweite und vollkommene Liberalisierung wird es nicht vor 2007 geben. Und Telefongespräche im Ortsnetz dürfen zwar in diesem Jahr auch private Wettbewerber anbieten. Aber die Lage ist schwieriger als bei der Öffnung des Marktes für Ferngespräche. Mit großen Kostensenkungen rechnet kaum jemand.

Frei von Einflussnahmen durch die Politik sind beide Konzerne durch die Börsengänge ebenfalls noch lange nicht. Als die Telekom den italienischen Ex-Monopolisten Telecom Italia im Frühjahr 1999 übernehmen wollte, zeigten sich deutsche Politiker empört, als in Italien Vorbehalte geäußert wurden. Die Telekom sei zwar noch im Mehrheitsbesitz des Bundes, hieß es, aber es sei ein absolut freies Unternehmen. Einmischen? Nein, das werde man sich nie und nimmer. Finanzminister Hans Eichel wurde nicht müde zu beteuern, dass die Regierung die Telekom nicht beeinflusse. Das galt so lange, bis die Kurse zusammenbrachen. Da wurde die Telekom zum Politikum. Und Konzernchef Ron Sommer geriet zwischen die Fronten des Bundestagswahlkampfs. Die rot-grüne Bundesregierung habe bei der Kontrolle der Telekom versagt, kritisierte die Union so lange, bis Kanzler Gerhard Schröder nervös wurde. Und Telekom-Chef Ron Sommer die Gunst der Regierung entzog. Schnell wurde Sommer geschasst, um das Thema zu beenden und die Stimmen von Millionen Kleinaktionären nicht zu verlieren. Die Wahlkampfstrategen der Union freuten sich danach unverhohlen: „Die Ablösung haben wir geschafft.“

Ein ähnliches Schicksal könnte jetzt auch dem Vorstandschef der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn, drohen, der wegen der Einführung des neuen Preissystems im Dauerfeuer der Kritik steht. Lange hatte sich der Eigentümer Staat zurückgehalten. Solange die Kritik aus Fahrgast- und Umweltverbänden überschaubar blieb, gab es kaum einen Kommentar aus Berlin. Doch mit dem Start der neuen Preise am 15. Dezember war die Schonfrist zu Ende. Angesichts wachsenden Unmuts bei den Kunden ließ das Verkehrsministerium erklären, womöglich müsse über Veränderungen nachgedacht werden. Schließlich sind bald Landtagswahlen.

Beamten belasten die Bilanz

Aus ihrer Zeit als Staatsunternehmen haben Telekom, Post und Bahn jedoch nicht nur die Einmischung durch die Bundesregierung geerbt, sondern auch Tausende Beamte. Die einstigen Staatsdiener werden den Konzernen noch über Jahrzehnte zur Last fallen. Denn auch für ein privatisiertes Staatsunternehmen gilt: Beamte sind unkündbar. Allein in der Festnetzsparte der Telekom ist jeder zweite der rund 120 000 Beschäftigten Beamter.

Dabei versuchen die Konzerne derzeit, effizienter zu werden und zu sparen (siehe Kästen). Und das bedeutet auch: Abbau von Arbeitsplätzen. Doch kündbar sind meist nur jüngere Angestellte – die anderen schützt das Beamten- oder das Tarifrecht. Notgedrungen versuchen Telekom und Bahn deshalb, ihre überflüssigen Leute mittels eigener Personal-Service-Agenturen an andere Unternehmen auszuleihen. Doch überzählige Beamte können nur an andere staatliche Einrichtungen abgegeben werden.

Aber dort herrscht zurzeit kein Bedarf. Und Appelle an den Bund, wenigstens einen Teil der Kosten für die teuren Beamten zu übernehmen, stoßen dort auf taube Ohren. Finanzminister Hans Eichel ist bekanntlich pleite – und hat bereits jetzt Probleme, die wachsenden Pensionslasten der Ex-Beamten aufzubringen. Die summieren sich mit Zins und Zinseszins in den kommenden Jahrzehnten auf 570 Milliarden Euro. Doch auch die Unternehmen müssen zahlen: Allein die Telekom überwies im Jahr 2001 in eine Unterstützungskasse 845 Millionen Euro.

Ob das Jahr 2003 der Telekom und der Post mehr Freiheit bringen wird, ist noch unklar. Zwar hat Finanzminister Eichel angekündigt, weitere Aktien der beiden Konzerne zu verkaufen. Doch der Abwärtstrend an der Börse könnte diesen Plan vereiteln. Für die Aktionäre wäre ein neuer Börsengang jedenfalls eine schlechte Nachricht, denn die Kurse der beiden Gesellschaften würden unter Druck geraten. Allein die Ankündigung verunsicherte die Anleger und führte über Tage zu Verlusten. Für den Post-Chef Klaus Zumwinkel und den neuen Telekom-Vorstandsvorsitzenden Kai-Uwe Ricke würde das aber ruhigere Nächte bedeuten: Nur so können sie sicher sein, dass ihnen ein ähnliches Schicksal wie Ron Sommer erspart bleibt. Hartmut Mehdorn aber wird noch lange schlecht träumen müssen. Ein Börsengang der Bahn ist frühestens in zwei bis drei Jahren möglich – vorher ist die Ex-Bundesbahn noch nicht profitabel genug.

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